Was Profi-Investoren von der US-Wahl erwarten
Die Wahlnacht naht - und das Rennen ums Weiße Haus zwischen Kamala Harris und Donald Trump ist offener denn je. Wir zeigen, welche Auswirkungen auf die Kapitalmärkte Profi-Investoren erwarten.
Es ist soweit, die Wahllokale in den USA sind geöffnet. Heute Nacht dürfte es erste - vorläufige - Ergebnisse geben, wer im Rennen um den Einzug ins Weiße Haus vorne liegt. Eine endgültige Entscheidung dagegen wird sich wahrscheinlich - wie 2020 - länger hinziehen. Die Demokratin Kamala Harris und der republikanische Kandidat Donald Trump haben sich bis hierher einen denkwürdigen Wahlkampf geliefert.
Trump dürfte die Inflation anheizen
Nun also steht die Entscheidung bevor und damit die Frage: Wie werden die Kapitalmärkte auf den Wahlausgang reagieren? Einen ersten Vorgeschmack lieferte dabei bereits die vergangene Woche. Da nämlich waren Trumps Chancen auf den Wettmärkten spürbar gestiegen, was einen deutlichen Anstieg der Renditen auf US-Staatsanleihen zur Folge hatte - und einen Anstieg des US-Dollars.
Dafür sind vor allem zwei Dinge verantwortlich. Zum einen hat Trump angekündigt, massive Zölle auf Importe einzuführen. Berechnungen von Bloomberg-Ökonomen sagen voraus, dass in einem trumpschen Extremszenario (20 Prozent Zoll auf alle importierten Güter) 4,3 Prozent zusätzliche Inflation bis 2028 entstünde - unter der Annahme, dass nur China mit Gegenzöllen reagiert.
Ein zweiter Inflationstreiber der Politik von Donald Trump ist der Plan, illegale Auswanderer zu "deportieren" (ja, dieses Wort nutzt Trump wirklich). Das hätte unmittelbar große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und das Kapitalmarktumfeld, glaubt Sandra Ebner, Senior Economist beim Fondsanbieter Union Investment. "Vor allem die Bauwirtschaft, die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor etwa im Bereich Gastronomie werden vor erhebliche Probleme gestellt", schreibt sie in einem Ausblick auf die US-Wahl aus dem Oktober.
Aktien aus diesen Branchen dürften entsprechend zu den Verlierern zählen, sollte Trump als Sieger aus der Wahl hervorgehen. Ebenso dürften die Renditen US-amerikanischer Staatsanleihen hoch und die Kurse entsprechend niedrig bleiben.
Energie: Erneuerbar gegen Fossil
Zu den großen Verlierern einer Trump-Präsidentschaft würden sicher auch die Aktien von Unternehmen aus dem Erneuerbare-Energien-Sektor zählen. Trump hat im Wahlkampf angekündigt, von Amtsinhaber Joe Biden eingeführte Subventionen für den Sektor zu beenden und im Gegenzug Regularien für die Förderung von Öl und Gas zu lockern. Das ist konsequent für einen Mann, der den Klimawandel als Lüge bezeichnet und jüngst auf einer Wahlkampfveranstaltung mit Blick auf die Gefahren durch steigende Meeresspiegel sagte: "Wen zum Teufel kümmert das?".
Sein Motto stattdessen: "Drill, Baby, drill". Zu deutsch: "Bohr, Baby, bohr" - und zwar nach Öl und Gas. Kein Wunder also, dass die Aktien aus dem Öl- und Gassektor im Oktober, als Trumps Siegchancen sukzessive stiegen, ihre erneuerbaren Pendants (gelb im Chart oben) deutlich hinter sich gelassen haben. Würde Trump Präsident, dürften sich diese Tendenzen verstärken.
Neben dem Öl- und Gassektor ist auch der Kryptobereich ein Feld, das von einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps profitieren dürfte. Trump hat sich im Wahlkampf als krypto-freundlicher Kandidat präsentiert und unterstützt den Sektor auch symbolisch - nicht zuletzt durch die prominente Rolle, die Tesla-Chef und Krypta-Enthusiast Elon Musk im Wahlkampf des Republikaners spielt.
Umgekehrt birgt ein Wahlsieg von Kamala Harris entsprechendes Enttäuschungspotenzial, etwa für den Bitcoin-Kurs.
Was die Profis erwarten
Björn Jesch, Global Chief Investment Officer der Deutsche-Bank-Tochter DWS, gibt sich mit Blick auf die Wahl bezüglich US-Aktien dennoch zurückhaltend. "Wir rechnen nach der US-Wahl zunächst mit einer Ernüchterungsphase, in der Anleger vielleicht einige Abstriche von den Hoffnungen machen müssen, die sie sich vor der Wahl gemacht haben."
Hintergrund: Ein Durchregieren einer der beiden Parteien nach der Wahl halten Jesch und sein Team für unwahrscheinlich. Aktuell halten die Demokraten eine knappe Mehrheit im Senat, für den 35 der 100 Mitglieder neu gewählt werden. Das Repräsentantenhaus ist mehrheitlich republikanisch besetzt und wird nun komplett neu gewählt.
"Es gibt bereits Anzeichen für eine Wiederbelebung der Bereitschaft der Wähler, ihre Stimmen im Jahr 2024 wieder verstärkt aufzuteilen, indem sie für eine Seite im Senat stimmen, während sie den Kandidaten der anderen Partei für die Präsidentschaft und die Wahlen zum Repräsentantenhaus favorisieren", schreibt Jesch in einer aktuellen Einschätzung.
Er erwartet deswegen zunächst nur moderate Kursreaktionen auf das Wahlergebnis und bewertet amerikanische Aktien in toto aktuell mit Blick auf die hohe Bewertung als wenig attraktiv. Global die einzige Region, deren Aktienmärkte die DWS positiv einschätzt, ist übrigens Europa. "Europas Wirtschaft erholt sich weiterhin, und der Bewertungsabschlag gegenüber den USA bleibt rekordhoch", schreibt er dazu. Beides Argumente, die - US-Wahl hin, US-Wahl her - aus seiner Sicht derzeit für den alten Kontinent sprechen.