Interview zur US-Wahl

"Für die Welt ist die Trump-Wahl wirtschaftlich eine Katastrophe"

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Ökonomie-Professor Tobias Heidland vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) erklärt, wieso eine weitere Trump-Präsidentschaft langfristig auch der Wirtschaft in den USA schadet - und was die Folgen für die Kapitalmärkte sind.

Quelle: lev radin/ Shutterstock

Herr Heidland, vor der US-Wahl haben Marktbeobachter viel über die möglichen Auswirkungen konkreter Maßnahmen von Donald Trump wie Steuersenkungen und Zöllen auf die Märkte gesprochen. Genau darauf scheint der Kapitalmarkt auch nun zu reagieren: Aktien steigen, Anleihen fallen. Die Effekte von Trump auf „weiche“ Faktoren wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dagegen scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Sind die für die Märkte nicht wichtig oder unterschätzen wir sie einfach?

Sie sind definitiv wichtig und werden bisher an den Märkten nicht ausreichend eingepreist. Die Märkte haben überall dort, wo es konkrete Drohungen von Trump gab, stark reagiert – der Euro etwa gegenüber dem Dollar wegen der Gefahr von Zöllen abgewertet. Das sind aber sehr kurzfristige Reaktionen. Der Einfluss der weichen Faktoren funktioniert langfristig. 

Was sind denn die Gefahren einer Trump-Präsidentschaft?

Große Problemfelder sind die Rechtsstaatlichkeit und eine dysfunktionale Demokratie. Es gibt wissenschaftlich klare Evidenz dafür, dass eine gefährdete Demokratie eine Wachstumsbremse für die Wirtschaft ist. Das gilt für Autokraten und Populisten, selbst wenn sie eine Demokratie regieren. Populisten wie Trump – rechts wie links – verhängen etwa häufig Zölle, was die Inflation treibt. Oder sie schotten ihre Finanzmärkte ab.

Langfristig, das zeigt eine Untersuchung dreier Kollegen vom IfW Kiel, verlieren Staaten mit populistischen Regierungen daher etwa zehn Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP). Umgekehrt, auch dafür gibt es Evidenz, schaffen Staaten, die sich demokratisieren, deutliche Zuwächse beim BIP. 

Was konkret macht Ihnen in Bezug auf Trump denn Sorgen?

Ein großes Trump-Spezifikum ist seine erratische Art. Die macht es schwer, zu planen. Es ist wahrscheinlich, dass im Laufe seiner Präsidentschaft neue Ideen umgesetzt werden, die wir heute noch nicht absehen können. Außerdem sollen unter Trump staatliche Institutionen zusammengestrichen werden. Das System der „Checks and Balances“ geht kaputt.

Und da Trump wahrscheinlich neben dem Senat auch das Repräsentantenhaus kontrollieren kann, kann er viel undurchdachte Politik implementieren. Das wird das Wachstum in den USA mittel- und langfristig bremsen. Von den geopolitischen Risiken, die Trump heraufbeschwört – etwa durch ein Liebäugeln mit einem Aussteigen der USA aus der Nato – ganz zu schweigen. 

Die Folgen autokratischer Regierungen für Kapitalmärkte lassen sich etwa in China beobachten: Der Aktienmarkt dort legt langfristig kaum zu, obwohl die Wirtschaft stark wächst. Wieso?

Fehlende Planbarkeit und Rechtsstaatlichkeit sind ein Risiko für Investoren in Autokratien. Es gibt das Risiko, dass man als westlicher Investor sein Geld im Zweifel nicht mehr zurückbekommt – wie es im Falle Russlands eingetreten ist. Auch das Risiko, unter Sanktionen zu fallen, ist in diesen Staaten höher.

Deswegen bleiben die Kapitalmärkte schwach, obwohl viele Autokratien Schwellen- und Entwicklungsländer sind, die eigentlich aufgrund ihrer Kapitalknappheit Geld anziehen müssten. Das passiert aber nicht, die Gelder fließen eher in Richtung reifer Industriestaaten, wo Investitionen sicher erscheinen. 

Quelle: © IfW Kiel

Zur Person: Tobias Heidland ist Ökonomieprofessor und leitet am renommierten Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) seit vier Jahren das Forschungszentrum "internationale Entwicklung". Der Wirtschaftswissenschaftler hat an der Universität Kiel mit einer Arbeit über soziale und wirtschaftliche Effekte von Migration promoviert und war vor seiner Zeit beim IfW beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin tätig.

Am Kapitalmarkt scheint die Meinung vorzuherrschen, Trumps Politik schade vor allem ausländischen Märkten und weniger den USA selbst: Der S&P 500 gewann nach Trumps Wahl, der Stoxx Europe 600 verlor. 

Das mag kurzfristig auch richtig  sein, wenn jetzt ein konjunktureller Stimulus in den USA gesetzt wird und ausländischen Unternehmen der Zugang zum US-Markt erschwert wird. Nur: Macht Trump seine Ankündigungen – er hat im Wahlkampf auch von der Abschaffung von Wahlen gesprochen – wahr und etabliert eine Art republikanische Autokratie, werden sich die negativen Effekte auch in den USA zeigen.

Wobei die USA der größte Binnenmarkt der Welt sind und sie sich relativ gut abschotten können – Deutschland etwa kann das nicht.

Nichtsdestotrotz wären viele von Trumps Ideen auch für die Wirtschaft der USA schädlich. Bloomberg hat kürzlich berechnet, dass etwa der Trump-Plan, illegale Migranten zu deportieren, die USA sechs bis sieben Prozent ihrer Wirtschaftsleistung kosten würde. Wir sprechen da also über einen Wohlstandsverlust im Ausmaß der Weltfinanzkrise 2008. 

Also lieber in den europäischen Markt investieren?

Auch schwierig. Deutschland ist sicherlich eins der Länder, das von Trumps Plänen am schwersten betroffen ist. Denn Trump will Unternehmen zwingen, in den USA zu produzieren. Deutsche Unternehmen müssten also Produktionen in die USA verlagern. Unsere Wirtschaft ist sehr exportabhängig, so dass sich Handelskriege sich bei uns besonders negativ auswirken.

Klingt insgesamt nicht nach einer rosigen Zukunft für die internationalen Aktienmärkte.

Für die Welt als Ganzes ist das wirtschaftlich eine Katastrophe, so deutlich muss man es sagen. Wenn etwa Europa in Zukunft wegen der veränderten US-Außenpolitik deutlich mehr in Rüstung investieren muss, fehlt dieses Geld an anderer Stelle für Wachstumsinvestitionen – Rüstung ist ja nicht produktiv.

Die Trump-Wahl ist für Deutschland in einer Lage, in der es uns wirtschaftlich und politisch ohnehin nicht gut geht, ein perfekter Sturm. Und da Trump breite Unterstützung hat, müssen wir uns darauf einstellen, dass er die meisten seiner Vorhaben auch umsetzen wird. 

Eines ist sicher: Die Zukunft wird für Anleger risikoreicher.

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