EZB-Zinsentscheid

Ökonomenstimmen zur erneuten Zinssenkung der EZB

onvista · Uhr
Quelle: Fabian Junge/Shutterstock.com

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit der vierten Zinssenkung in diesem Jahr auf wachsende Sorgen um die Konjunktur im Euroraum reagiert. Vorerst verringert der EZB-Rat den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent.

Geldpolitik
EZB senkt Leitzins auf 3,00 Prozent · Uhr · onvista
EZB senkt Leitzins auf 3,00 Prozent

Weitere Schritte dürften folgen, denn Handelskonflikte etwa mit den USA und ihrem wiedergewählten Präsidenten Donald Trump könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich unter Druck setzen. Das sagen Ökonomen zur aktuellen Entscheidung der EZB.

Das sagen Experten zur Zinssenkung der EZB

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank

Das war nicht der letzte Schritt nach unten. Inzwischen haben die Konjunkturpessimisten im EZB-Rat ein großes Gewicht. Die Leitzinsen werden sich im kommenden Jahr mindestens auf ein neutrales Niveau von 2 Prozent abwärts bewegen. In den langfristigen Finanzierungskonditionen für Immobilien- oder Konsumkrediten ist das aber bereits heute enthalten, hier ist das Senkungspotenzial nicht mehr hoch. Der stetige und behutsame Kurs bei der Lockerung ist richtig. Abgesehen von den verbliebenen Unsicherheiten bei der Preisentwicklung wäre die Gefahr groß gewesen, dass angesichts der Querelen um den französischen Staatshaushalt eine kräftige Zinssenkung als Geschenk an die Finanzpolitik interpretiert werden könnte.

Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust

Den Ausschlag zur Zinssenkung dürfte die anhaltende Konjunkturschwäche im Euroraum gegeben haben, insbesondere die enttäuschenden Frühindikatoren für die Schwergewichte Deutschland und Frankreich. (...) Die Entscheidung ist vertretbar, könnte aber angesichts des stockenden Inflationsrückgangs in den kommenden Monaten zu einer Zinspause führen.

Florian Heider, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe

Die heutige Entscheidung zeigt, dass die EZB diese kleine Zinssenkung nutzt, um den vielen vorherrschenden Unsicherheiten, insbesondere von geopolitischer Natur, zu begegnen und die Finanzmarktstabilität zu sichern. Die leicht gestiegene Inflation und die Entscheidung die Zinsen zu senken, sind von den Märkten bereits eingepreist worden, was diese Entscheidung rechtfertigt. Die Märkte erwarten, dass die EZB die Zinsen weiter senken wird, um ein niedrigeres, so genanntes neutrales Niveau zu erreichen, das nur schwer genau zu bestimmen ist. Ob das gelingt, hängt davon ab, ob die Inflation weiter zurückgeht, was nicht sicher ist, und wie sich die wirtschaftlichen Aussichten für den Euroraum entwickeln.

Lena Dräger, Direktorin der Forschungsgruppe Monetäre Makroökonomie am IfW Kiel

Mit Blick auf die sich stabilisierende Inflationsrate und die negativen Konjunkturaussichten ist die jüngste Zinssenkung der EZB als Versuch zu interpretieren, der schwächelnden Wirtschaft im Euroraum auf die Sprünge zu helfen. Weitere Zinssenkungen sind daher in den kommenden Monaten zu erwarten. Die EZB hofft, mit niedrigeren Zinsen bei stabilen Inflationsraten nahe des Zielwertes von 2 Prozent Investitionen und Konsum anzuregen und so zu höherem Wirtschaftswachstum beizutragen.

Ob dies gelingt, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab: Erstens, wie entwickelt sich die Krise im Maschinenbau und im Automobilsektor, insbesondere in Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum? Zweitens, welchen Effekt werden die von Trump angekündigten Zölle auf die europäische Wirtschaft haben? Drittens, wie wirken die Regierungskrisen in Deutschland und Frankreich auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone? Die EZB hat keinen direkten Einfluss auf die Strukturkrise in der Industrie, die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration oder nationale Regierungskrisen. Alle diese Faktoren deuten aber auf eine weitere Verschlechterung der Konjunktur im kommenden Jahr hin und wirken tendenziell deflationär.

Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes

Auch wenn es zunächst danach aussieht, dass die EZB ruhigeres Fahrwasser erreicht: Die weitere Entwicklung der Inflation im kommenden Jahr bleibt unsicher. Zwar deuteten die schwächelnde Konjunktur und gesunkene Energiepreise auf einen weiteren Rückgang der Inflation hin. Weiterhin überdurchschnittlich steigende Löhne und ein schwächerer Euro könnten die Inflation aber über dem EZB-Ziel halten. Und völlig offen sind die Preiseffekte, die von der Handelspolitik der künftigen US-Regierung ausgehen.

Ulrich Wortberg, Landesbank Helaba

Das Statement der Zinsentscheidung habe nur insofern geändert, als dass der Passus gestrichen wurde, wonach die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf einem ausreichend restriktiven Niveau gehalten werden sollen. Nun heißt es lediglich, dass die Festlegung des geldpolitischen Kurses von der Datenlage abhängt und von Sitzung zu Sitzung erfolgen soll. Die Geldpolitik wird vonseiten der EZB noch als restriktiv bezeichnet.

Mark Wall, Chefvolkswirt Europa der Deutschen Bank

Der Lockerungszyklus der EZB ist noch nicht abgeschlossen. Wichtig sei, dass die Tür für weitere Zinssenkungen deutlich geöffnet wurde. Die EZB bezeichnete die derzeitigen Finanzierungsbedingungen weiterhin als angespannt, ließ aber den Hinweis fallen, dass die Politik so lange wie nötig ausreichend restriktiv bleiben müsse. Diese Kombination signalisiert eine Tendenz zur Lockerung.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank

Die EZB hält Kurs. Dabei sahen sich die Währungshüter zuletzt sogar mit einem neuerlichen Anstieg der Inflationsraten konfrontiert. Allerdings ist dies keine Überraschung. Dass es zum Jahresende zu Basiseffekten bei den Energiepreisen kommen wird, stand schon zu Jahresbeginn fest. Auch die EZB-Projektionen zur weiteren Inflationsentwicklung trugen dem bereits seit längerem Rechnung. Die europäischen Währungshüter blicken deshalb gelassen auf den kurzfristig wieder etwas höheren Preisdruck. Entscheidend ist, dass sich am mittelfristigen Inflationsausblick nichts ändert. Im kommenden Jahr wird die Geschwindigkeit des Preisanstiegs - auch nach Ansicht der EZB - wieder geringer sein. Zudem fühle sich die EZB angesichts der wirtschaftlichen Risiken für die Eurozone unter Zugzwang.

Redaktion onvista/dpa-AFX

onvista Premium-Artikel

onvista Trading-Impuls
Rio Tinto-Aktie steht kurz vor einem mittelfristigen Kaufsignalgestern, 13:45 Uhr · onvista
Rio Tinto-Aktie steht kurz vor einem mittelfristigen Kaufsignal
Chartzeit Eilmeldung
Nasdaq 100 - auf zu neuen Hochs!gestern, 10:35 Uhr · onvista
Nasdaq 100 - auf zu neuen Hochs!

Das könnte dich auch interessieren

onvista Trading-Impuls
Rio Tinto-Aktie steht kurz vor einem mittelfristigen Kaufsignalgestern, 13:45 Uhr · onvista
Rio Tinto-Aktie steht kurz vor einem mittelfristigen Kaufsignal
Dax Tagesrückblick 14.02.2025
Dax verschnauft nach Rekordrally - Rüstungswerte stark gefragtgestern, 17:57 Uhr · onvista
Dax verschnauft nach Rekordrally - Rüstungswerte stark gefragt
Börse am Morgen 14.02.2025
Marginale Gewinnmitnahmen im Dax - Kontron-Aktie bricht nach Empfehlung ausgestern, 10:10 Uhr · onvista
Marginale Gewinnmitnahmen im Dax - Kontron-Aktie bricht nach Empfehlung aus
Dax Vorbörse 13.02.2025
Trump-Putin-Telefonat befeuert Dax-Rekordjagd13. Feb. · onvista
Trump-Putin-Telefonat befeuert Dax-Rekordjagd