Tech-Lobby fordert Aussetzung des europäischen "AI Act"
Stockholm/Frankfurt (Reuters) - Der europäische Ableger des internationalen Verbands der Technologiebranche fordert ein Moratorium für den "AI Act" zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI).
"Da wenige Wochen vor Inkrafttreten wichtige Teile des KI-Gesetzes immer noch fehlen, müssen wir eine Pause einlegen, um es richtig zu machen", sagte Daniel Friedlaender, Europa-Chef der Computer & Communications Industry Association (CCIA) am Donnerstag. "Sonst riskieren wir, dass die Innovation gänzlich zum Stillstand kommt." In dem Verband sind vor allem US-Konzerne wie der iPhone-Anbieter Apple, der Suchmaschinen-Betreiber Google und die Facebook-Mutter Meta organisiert.
Auch einige europäische Politiker wie der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson sind für eine Aussetzung des Gesetzes, weil die Regelungen "verwirrend" seien. Einer vergangene Woche veröffentlichten Studie des weltgrößten Cloud-Anbieters Amazon Web Services (AWS) zufolge haben mehr als zwei Drittel der Unternehmen Schwierigkeiten zu verstehen, welche Auflagen sie gemäß des "AI Act" einhalten müssen. Im Mai hatte der deutsche Digitalverband Bitkom bei einer Erhebung ermittelt, dass mehr als zwei Drittel der heimischen Unternehmen wegen rechtlicher Hürden oder Unsicherheiten mindestens eine Innovation auf Eis gelegt haben.
Auch europäische Firmen äußern sich kritisch zu dem vor gut einem Jahr verabschiedeten "AI Act". Bosch-Chef Stefan Hartung wetterte vor wenigen Tagen, Europa drohe wegen einer Mischung aus "Bürokratie und strengen, aber unklaren Vorgaben" bei der Schlüsseltechnologie Künstlicher Intelligenz den Anschluss zu verlieren. Außerdem drohe eine unterschiedliche Auslegung der EU-Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten. Bosch hält in Europa die meisten KI-Patente. Das Walldorfer Softwarehaus SAP hatte im vergangenen Herbst einen offenen Brief unterzeichnet, der auf Gefahren für den Wirtschaftsstandort Europa hinwies.
Die EU-Kommission versucht, derartige Bedenken zu zerstreuen. "Ich möchte den 'AI Act' auf eine sehr innovationsfreundliche Art und Weise umsetzen", betonte Technologie-Kommissarin Henna Virkkunen unlängst. Einem möglichen Moratorium erteilte sie eine Absage.
(Bericht von Hakan Ersen und Supantha Mukherjee, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)