Deutschland schränkt Rüstungslieferungen an Israel ein

- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) - Deutschland hat erstmals wegen des verschärften Vorgehens Israels in Gaza und der humanitären Notlage konkrete Sanktionen gegen den jüdischen Staat verhängt.
Die Bundesregierung genehmige bis auf Weiteres keine Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Israel, die in dem Küstengebiet zum Einsatz kommen könnten, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz am Freitag in Berlin. Das in der Nacht vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen erscheine nicht zielführend, sagte der CDU-Vorsitzende. Merz betonte zugleich das Recht Israels, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. "Die Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand haben für uns oberste Priorität."
Aufgrund der Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden während der Nazi-Zeit gilt eine enge Freundschaft zu Israel als Staatsräson. Während andere europäische Partner wie Großbritannien oder Frankreich bereits eine Anerkennung von Palästina im Zuge des israelischen Vorgehens in Gaza in Aussicht gestellt hatten, blieb Deutschland zurückhaltend. Die USA haben nach Angaben von Vizepräsident JD Vance ebenfalls nicht vor, einen Palästinenser-Staat anzuerkennen. Er wisse nicht, was eine solche Anerkennung angesichts des Fehlens einer funktionierenden Regierung bedeuten solle.
Die Ankündigung Israels, eine neue Offensive zur vollständigen Entwaffnung der radikalislamischen Hamas zu starten und dabei auch Gaza-Stadt zu besetzen, löste international Besorgnis und scharfe Kritik aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte Israel auf, die Entscheidung zu überdenken. Sie bekräftigte auf X, humanitäre Hilfe für die Palästinenser müsse sofort möglich werden, eine Feuerpause umgesetzt werden. Sie appellierte zudem an die Hamas, alle israelischen Geiseln freizulassen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte schon vor der Sitzung des Sicherheitskabinetts erklärt, sein Land strebe die vollständige Kontrolle über den Küstenstreifen an. Die radikal-islamische Hamas bezeichnete schon die angestrebte Übernahme der Kontrolle über die Stadt Gaza als Kriegsverbrechen. Israel kümmere sich nicht um das Schicksal ihrer Geiseln.
AUSWIRKUNGEN DES MERZ-BESCHLUSSES UNKLAR
Welche konkrete Auswirkung die teilweise Aussetzung der Lieferungen hat, ist unklar. In Regierungskreisen hatte es zuletzt geheißen, Israel habe ohnehin keine Anträge für Panzer, Lastwagen oder Infanteriewaffen gestellt. U-Boote oder Raketenabwehr sind wiederum vom Boykott nicht erfasst. Bereits die Ampel-Regierung hatte erklärt, man differenziere bei Waffenlieferungen genau zwischen Abwehrwaffen und solchen, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Die Waffenexporte insgesamt gingen 2024 auf gut 160 Millionen Euro zurück. Welche genau geliefert wurden, ist nicht bekannt. Die Einschränkungen könnten auch Bau- und Ersatzteile treffen, die Israels Militär benötigt.
Ziel Deutschlands war es, einen Gesprächskanal zur rechtsgerichteten israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu aufrechtzuerhalten und so Einfluss auszuüben. Die Erklärungen etwa beim Besuch von Außenminister Johann Wadephul (CDU) in der vergangenen Woche in der Region hatten allerdings an Schärfe gewonnen. Parallel warf die Bundeswehr über dem Gazastreifen Hilfslieferungen ab, um die Notlage dort zumindest zu lindern. Die Bundesregierung hoffte aber vor allem auf eine bessere Versorgung der Menschen durch Israel, die sich zuletzt ansatzweise abgezeichnet hatte.
UNTERSCHIEDLICHE HALTUNGEN IN DER KOALIITON
Der Koalitionspartner SPD unterstützte Merz. Die SPD-Fraktion hatte seit längerem auf mehr Härte gegen Israel gedrungen und verschiedene Sanktionen, darunter auch den Militär-Boykott, ins Gespräch gebracht. "Das ist eine richtige Entscheidung", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil zum Stopp der Waffenlieferungen. Dem Staat Israel gelte die volle Solidarität, aber Falsches müsse benannt werden. Dem SPD-Außenexperten Adis Ahmetovic ging die Entscheidung nicht weit genug: "Es müssen noch weitere folgen, wie eine Ganz- oder Teilaussetzung des EU-Assoziierungsabkommens oder die medizinische Evakuierung insbesondere von schwer verletzten Kindern", sagte er dem Magazin "Stern". Zudem dürfen Sanktionen gegen israelische Minister kein Tabu mehr sein.
In der CSU stieß der Beschluss hingegen Koalitionskreisen zufolge eher auf Unverständnis. Öffentliche Äußerungen gab es zunächst kaum. CSU-Chef Markus Söder und auch Innenminister Alexander Dobrindt hatten auch zuletzt wiederholt die Solidarität mit Israel nach dem Hamas-Massaker 2023 betont. Unmut gab es über Außenminister Wadephul und seine kritischen Äußerungen zu Israel. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung war die CSU-Spitze über den Beschluss von Merz nicht informiert.
(Weitere Reporter: Michael Georgy, Alexander Cornell; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)