Dax: Trumps Beruhigungspille sorgt für leichte Erholung – Langfristig sieht es aber weiter schlecht aus – Rezession in Deutschland laut Ökonomen kaum noch vermeidbar
Ein erwartetes Hilfspaket in den USA gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise hat am Dienstag auch dem deutschen Aktienmarkt Auftrieb gegeben. Nach dem Schwarzen Montag ging es für den Dax im frühen Handel um 2,59 Prozent nach oben auf 10.988 Punkte. Der MDax der mittelgroßen Börsentitel rückte um 2,77 Prozent auf 23.731,61 Punkte vor. Der EuroStoxx 50, der Leitindex der Eurozone, gewann 2,91 Prozent.
Tags zuvor hatte das deutsche Börsenbarometer allerdings einen der schwärzesten Tage seiner mehr als 30 Jahre alten Geschichte erlebt. Wegen wachsender, durch das Virus ausgelöster Rezessionssorgen und der zusätzlichen Gefahr eines Ölpreiskrieges stießen Anleger panikartig Aktien ab. Sie flüchteten in sicherere Häfen wie Staatsanleihen und Währungen. Der deutsche Leitindex erlitt letztlich mit einem Minus von fast 8 Prozent den größten prozentualen Tagesverlust seit den Terroranschlägen am 11. September 2001. Die Gewinne des vergangenen Jahres hatten sich nahezu aufgelöst.
Trump gibt den Märkten Beruhigungspille
„Trump gibt den Börsen die Unterstützung, auf die alle gewartet haben“, sagte nun Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners und verwies auf die jüngsten Aussagen des US-Präsidenten. Donald Trump hatte zuvor über mögliche Lohnsteuer-Erleichterungen sowie über Kredite für Kleinunternehmen informiert. Im Gespräch seien auch Hilfen für jene, die nach Stundenlohn bezahlt werden, da sie bei einem krankheitsbedingten Arbeitsausfall besonders schwer betroffen sind. Am Markt wird nun mit Spannung auf die von Trump für Dienstag angekündigte US-Pressekonferenz gewartet.
Italien wird zur Sperrzone
Unterdessen ist in Europa ganz Italien wegen des Coronavirus von der Regierung zur Sperrzone erklärt worden. Rund 60 Millionen Menschen können sich nun nicht mehr frei bewegen. Schulen, Universitäten und Kindergärten im ganzen Land bleiben bis mindestens 3. April geschlossen. Auch Sportveranstaltungen werden ausgesetzt. Für internationale Zug- und Flugverbindungen sowie den öffentlichen Nahverkehr gibt es indes keine Beschränkungen.
Aktien wagen erste Erholungsversuche
Am deutschen Aktienmarkt zeigte sich die Mehrheit der Dax-Familie wieder im Plus. Die Papiere der Deutschen Bank erholten sich mit plus 4,6 Prozent etwas, nachdem sie tags zuvor auf ein Rekordtief gesackt war. Spitzenwert waren die Aktien der Deutschen Post mit plus 5,3 Prozent, nach allerdings fast minus 9 Prozent am Montag. Der Logistikkonzern verdiente 2019 unterm Strich mehr und hob nun die Dividende an.
Die Anteile des Chipherstellers Infineon gewannen 5,9 Prozent. Die Münchener haben für ihre geplante rund neun Milliarden Euro schwere Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor eine wichtige Hürde in den USA genommen.
Mit Ausnahme der Aktien des Stahlhändlers Klöckner & Co erholten sich an diesem Tag auch alle weiteren Unternehmen, die ihre Geschäftsberichte vorlegten. Im MDax stiegen Symrise um 4,6 Prozent und Uniper um 1,5 Prozent. Der Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise schaut wie gewohnt vorsichtig auf das neue Jahr. Durch die Coronavirus-Epidemie sieht der Konzern laut einem Sprecher aktuell keine größeren Belastungen. Uniper profitierte 2019 unter anderem von gestiegenen Strompreisen und höheren Produktionsmengen und rechnet 2020 mit stabilen Ergebnissen.
Im SDax gewannen Schaeffler 6,1 Prozent. Der Vorstandschef des Industrie- und Autozulieferers Klaus Rosenfeld hatte zur Zahlenvorlage mitgeteilt, dass alle chinesischen Fabriken wieder laufen und die Kapazitätsauslastung in China bei 80 Prozent liegt. Ein Händler verwies zudem darauf, dass der Dividendenvorschlag von 0,45 Euro je Aktie über den Erwartungen liegt. Die Erholung der Aktie relativiert sich aber mit Blick auf die heftige, virusbedingte Talfahrt seit Mitte Februar: Da hatte das Papier bereits rund 24 Prozent eingebüßt und war am Montag nochmals um weitere 12 Prozent eingebrochen.
Die Titel des Stahlhändlers KlöCo indes sackten nach Zahlen mit einem Minus von etwas mehr als 3 Prozent auf ein Rekordtief. Nach einem Verlust im vergangenen Jahr strich der SDax-Konzern nun die Dividende.
Rezession in Deutschland wird wohl nicht mehr vermeidbar sein
Die Aktienmärkte mögen sich zwar vorerst wieder erholen, die deutsche Wirtschaft kann nach Ansicht von Ökonomen wegen der Coronavirus-Epidemie eine kräftige Talfahrt kaum noch vermeiden.
„Für Deutschland erwarten wir im ersten Halbjahr eine Rezession, leider“, sagte der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr am Dienstag im ZDF. Die Wahrscheinlichkeit sei „schon sehr hoch“. „Man muss sich Sorgen machen um die Wirtschaftsentwicklung.“ Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, gab sich pessimistisch: „Es spricht einiges dafür, dass eine Rezession bevorsteht.“ Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bezeichnete es als wichtig, das Virus einzudämmen. „Je langsamer er sich ausbreitet, desto größer ist die Chance, dass wir auch im zweiten Halbjahr eine Rezession verhindern.“
Um Insolvenzen und Entlassungen zu vermeiden, hatte die große Koalition zu Wochenbeginn bereits ein Maßnahmenpaket angekündigt, das unter anderem eine Erleichterung der Kurzarbeit vorsieht. „Wir werden diese Maßnahmen ausweiten, wenn es notwendig ist“, sagte Altmaier im ZDF. Noch am Dienstag sollte es in Berlin Beratungen mit den Wirtschaftsministern der Länder geben, um sicherzustellen, dass die Folgen des Virusausbruchs beherrschbar seien.
Während die Industrie unter schwindender Nachfrage und Problemen bei Zulieferern leidet, spüren zunehmend auch Dienstleister die negativen Folgen des Virus – vor allem Unternehmen der Luftfahrt, des Tourismus und Restaurants. Auch der Hamburger Hafen geht davon aus, dass die Virus-Folgen ab Mitte März „mit voller Breitseite getroffen“ werde. „Die gesamten Lieferketten sind ja völlig aus dem Ruder gelaufen, das werden wir auch im Hamburger Hafen zu spüren bekommen“, sagte der Chef von Hamburg Hafen Marketing, Axel Mattern. Aufs Jahr gesehen rechne er wegen des Coronavirus mit gewaltigen Einbrüchen beim Containervolumen.
onvista/dpa-AFX/reuters
Titelfoto: anathomy / Shutterstock.com
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