Libra: Politiker weltweit blicken nervös auf Facebooks digitale Weltwährung – Wird das Projekt des Social-Media-Giganten zum Zentralbank-Killer?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Plan von Facebook, die neue globale Digitalwährung Libra einzuführen, ist bei Politikern in den USA und Europa auf Kritik gestoßen. Die Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Repräsentantenhaus, Maxine Waters, forderte Facebook auf, die Libra-Pläne auf Eis zu legen und die Untersuchungen der Behörden abzuwarten. Mit der Kryptowährung setze Facebook seine unkontrollierte Expansion fort und erweitere seine Reichweite auf das Leben seiner Nutzer, kritisierte die Politikerin der Demokratischen Partei.

Auch Patrick McHenry, der ranghöchste Republikaner im Finanzausschuss, beurteilte die Facebook-Pläne kritisch. „Wir wissen, dass es viele offene Fragen bezüglich des Umfangs und der Größenordnung des Projekts gibt.“ Es müsse geprüft werden, wie Libra mit dem globalen Finanzregulierungsrahmen vereinbar sein werde, schrieb er. „Wir müssen über die Gerüchte und Spekulationen hinausgehen und ein Forum bieten, um dieses Projekt und seine möglichen beispiellosen Auswirkungen auf das Finanzsystem zu bewerten.“

Facebook darf nicht im „regulatorischen Nirvana“ operieren und zur „Schattenbank“ werden

Auch in Deutschland wurden kritische Stimmen laut: Der grüne Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz erklärte, der Vorstoß von Facebook erhöhe den Handlungsdruck für Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden, sich ernsthaft und umfassend mit digitalen Währungen zu beschäftigen. „Dazu gehören Fragen der Geldschöpfung und von Wechselkursen, aber auch Fragen wie der Schwarzgeldbekämpfung und des Verbraucher- und Anlegerschutzes.“

Bei der Etablierung eines breit genutzten digitalen Zahlungsmittels müsse sichergestellt werden, dass dieses Zahlungsmittel angemessen reguliert werde. „Die Ausgestaltung darf dazu nicht in die Hände eines privaten Unternehmens gelegt werden, das bisher keiner Finanzaufsicht unterliegt.“ Auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire und der CSU-Abgeordnete Markus Ferber forderten mehr Kontrolle des Technologiegiganten. Le Maire sagte, es sei „außer Frage“, dass Libra zu einer „souveränen Währung“ wird, berichtete die US-Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Kommentare, die im Radio Europe 1 abgegeben wurden. „Das kann und darf nicht passieren“, fügte er hinzu.

„Multinationale Unternehmen mit riesigen Nutzerbasen wie Facebook dürfen bei der Einführung virtueller Währungen nicht in einem regulatorischen Nirvana operieren“, sagte etwa auch Markus Ferber, ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments. Facebook könnte damit zu einer Schattenbank werden.

Der Regulierungsdruck auf die Regierungen wächst durch Facebooks Vorstoß

Die Gruppe der G7 – zu der Frankreich, Großbritannien und die USA gehören - plant, ein Forum einzurichten, um die Risiken digitaler Währungen wie Facebooks Libra für das Finanzsystem zu bewerten. Dies geht aus der „Financial Times“ hervor, in der ein Brief von Le Maire und dem Chef der Banque de France, François Villeroy de Galhau, zitiert wurde. Die Gruppe wird Zentralbanken und den Internationalen Währungsfonds umfassen, berichtete die „FT“.

Was Facebook mit Libra vor hat

Das Digitalgeld mit dem Namen Libra basiert ähnlich wie der Bitcoin auf der sogenannten Blockchain-Technologie, soll aber ohne Kursschwankungen auskommen. Facebook werde keinen Zugang zu den Transaktionsdaten haben, versicherte das Netzwerk. Für Verbraucher soll Libra im kommenden Jahr verfügbar sein.

In der Anfangszeit dürfte das Digitalgeld vor allem für Überweisungen zwischen verschiedenen Währungen eingesetzt werden. Facebook will Libra allerdings zu einem vollwertigen Zahlungsmittel für alle Situationen machen.

Für Verbraucher soll es einfach sein, das Geld zwischen Libra und anderen Währungen zu tauschen und Transaktionen damit zu tätigen. So soll man Libra-Überweisungen zum Beispiel direkt in Facebooks Chatdiensten WhatsApp und Messenger ausführen können. Mit einer Verknüpfung zum Bankkonto sollen Libra auch direkt auf dem Smartphone in andere Währungen umgetauscht werden können.

Lesen sie alle Details über Facebooks neue Kryptowährung in unserem großen Überblicks-Artikel: Libra - Wird Facebooks Krypto-Mega-Projekt eine neue globale Währung?

Facebook will mit den Behörden kooperieren

Entgegen der Kritik, die schnell nach dem Bekanntwerden der Pläne aus der Politik laut geworden ist, zeigt sich Facebook im Grunde recht offen gegenüber Regulierungen und der Zusammenarbeit mit den Behörden. Im Whitepaper des Projekts wird explizit erwähnt, dass Prozesse wie KYC (know your Costumer) und AML (anti-money-laundering) einen wesentlichen Teil in den Anfängen des Libra-Ökosystems darstellen werden und die Transaktionen auf der Libra-Blockchain zunächst auf zentralisierter Ebene verifiziert werden, bevor sie irgendwann dezentral werden soll – dem eigentlichen Ziel hinter dem Konzept einer Blockchain an sich.

In dem Whitepaper heißt es zudem: „Wir glauben, dass die Zusammenarbeit und Innovation mit dem Finanzsektor, einschließlich Aufsichtsbehörden und Experten aus verschiedenen Branchen, der einzige Weg ist, um sicherzustellen, dass dieses neue System von einem nachhaltigen, sicheren und vertrauenswürdigen Rahmen getragen wird.“

Lesen Sie auch: Blockchain – Wie funktioniert die neue Technologie?

Facebooks Strategie der Libra-Einführung ist schlau durchdacht

Die in Teilen fast schon panisch anmutende Kritik der Politiker war zu erwarten, da Facebook ein wahrer Moloch eines Unternehmens mit einer globalen Machtposition ist. Wenn solch ein Konstrukt eine eigene Währung einführen will, ist das Überwechseln in den Alarm-Modus seitens der Regulatoren nachvollziehbar. Bei 2 Milliarden Nutzern und einer Verbreitung über den ganzen Planeten ist das Projekt von Anfang an eine potenzielle Bedrohung für die Nationalwährungen und die Position der Zentralbanken.

Die Art und Weise wie Facebook das Projekt aufgestellt hat, zeugt davon, dass man sich im Vorfeld ganz genau Gedanken über die Causa Regulierung gemacht hat. Der Libra-Coin wird von einer gemeinnützigen Organisation, der Libra Association, mit Sitz in Genf, Schweiz, betrieben. Ihr Ziel ist es laut Facebook, allgemein zugänglich, stabil und sicher zu sein.

Alle Firmen, die sich dem Ökosystem anschließen, werden Teil dieser Organisation. Das heißt, dass sie alle Stimmrecht bei der Konsenus-Kreierung innerhalb der Blockchain und der Association haben, aber laut Whitepaper nie mehr als 1 Prozent Stimmrecht pro Mitglied haben werden. Auch werden alle Mitglieder "Notes" betreiben. Das heißt, sie werden alle zusammen die Blockchain am laufen halten, die Transaktionen überprüfen und validieren, und durch den Wechsel von Devisen wie Euro oder Dollar in den Libra-Coin und wieder zurück an der Erschaffung und Verbrennung der Währung teilhaben.

Facebook wird keine besondere Stellung innerhalb dieser Organisation haben und somit auch nicht als Schirmherr angreifbar sein, sollte es zu direkten regulatorischen Maßnahmen, bis hin zu Sanktionen oder dergleichen kommen. Durch die bereits jetzt schon weltumspannende Größe des Ökosystems wird es zudem äußerst schwierig für die Behörden sein, auf nationaler Ebene dagegen vorzugehen.

Bisher sind 27 Unternehmen bereits Mitglied der Libra Association, darunter große Vertreter der Finanzwelt, wie Mastercard, Visa oder Paypal. Dazu kommen Giganten aus vielen weiteren Wirtschaftsbereichen wie Uber, Vodafone, Spotify usw. Bis zum Start 2020 sollen es 100 Unternehmen sein. Facebook hat mit seinem Projekt ein Konstrukt erschaffen, das es durch seine wirtschaftliche Stärke und Vernetzung selbst mit den größten Ländern aufnehmen kann und seit der Bekanntwerdung fast schon wie ein neuer großer Player im politischen Spielfeld wirkt, wie eine Art Nation für Unternehmen, mit eigenem Währungsökosystem und einer gemeinsam betriebenen Geldschöpfung.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Wirtschaftliche Akteure sind viel schneller bei der Umsetzung von Konzepten in neuen Feldern. Wenn es noch keine Regularien gibt, werden die politischen Instanzen stark ausgebremst, weil die Prüfung dieser neuen Felder langwierig und aufwändig ist und das Umsetzen solcher Projekte für Firmen eben noch nicht verboten ist. Facebook hat das clever ausgenutzt und ein gutes Fundament geschaffen, sich von den politisch gesteuerten Wirtschafts-Hebeln zu distanzieren und ein paralleles Ökosystem zu schaffen, das frei von Ländergrenzen ist. Wie gut das am Ende für den Endverbraucher ist, bleibt abzuwarten. Immerhin lassen sich ernsthafte Bemühungen erkennen, das System irgendwann tatsächlich dezentral zu machen. Zu Anfang wird es das aber definitv nicht sein.

Von Alexander Mayer mit Material von dpa-AFX

Titelfoto: Gil C / Shutterstock.com

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