Märkte im Krisenmodus – „Die Nerven bei den Anlegern liegen blank“ – Aktien, Anleihen-Renditen, Öl – alles fällt – Gold spielt seine Stärke aus

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Furcht vor einem weltweiten Konjunkturabschwung wegen der Coronavirus-Epidemie hat die Börsen wieder fest im Griff.

„Die Nerven bei den Anlegern liegen blank“, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. „Die jetzt angekündigten finanziellen Hilfsmaßnahmen machen deutlich, wie ernst Notenbanken und Regierungen die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie einschätzen. Ob sie allerdings ausreichen werden, eine Rezession in wichtigen Teilen der Welt zu verhindern, ist fraglich.“

Dax auf Talfahrt, Anleihe-Renditen im negativen Bereich

Dies drückte den Dax am Freitag zeitweise 2,8 Prozent ins Minus auf ein Sechseinhalb-Monats-Tief von 11.609 Punkten. Der EuroStoxx50 verlor ähnlich stark auf 3266 Zähler. Gleichzeitig flüchteten Anleger in „sichere Häfen“ wie Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen US-Bonds zum zehnten Mal in elf Tagen auf ein Rekordtief. Mit einem Rückgang von 0,925 auf 0,739 Prozent steuerten sie zudem auf das größte Tagesminus seit mindestens 1953 zu. Die vergleichbaren Bundesanleihen rentierten mit minus 0,734 Prozent knapp über ihrem Rekordtief.

Gold spielt seine Stärke als Krisenwährung aus

Gefragt war auch die „Antikrisen-Währung“ Gold. Das Edelmetall verteuerte sich um bis zu 0,8 Prozent auf 1683,02 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und lag nur noch rund fünf Dollar unter seinem Sieben-Jahres-Hoch vom Februar.

Auch die Kryptowährung Bitcoin, der von vielen Marktbeobachtern ebenfalls eine Rolle als alternativer Wertspeicher zugesprochen wird, konnte im düsteren Marktumfeld wieder über die Marke von 9.100 Dollar steigen, nachdem es in der letzten Woche ebenfalls einen herben Rücksetzer wieder weg von der 10.000 Dollar Marke gab.

Dollar stark unter Druck

Am Devisenmarkt deckten sich Investoren mit der Schweizer Währung ein. Dies drückte den Kurs des Dollar auf ein Zwei-Jahres-Tief von 0,9391 Franken. Die US-Valuta stand insgesamt unter Druck, weil Investoren der Notfall-Zinssenkung vom Dienstag zum Trotz bei den anstehenden Beratungen Mitte März fest mit einer erneuten Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt rechnen. Diese Spekulationen drückten den Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, auf ein Achteinhalb-Monats-Tief von 96,241 Punkten.

Ächzen und Stöhnen aus allen Branchenrichtungen

Autobranche: Das Virus hat auch die Papiere von Autobauern und ihren Zulieferern auch am Freitag fest im Griff. Der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Autos sackte vor dem Wochenende auf das tiefste Niveau seit 2013 ab. Papiere des ohnehin angeschlagenen Kabel- und Bordnetzspezialisten Leoni brachen nach einer Verkaufsempfehlung gar auf das tiefste Niveau seit 2009 ein. VW, Daimler und BMW hielten sich mit bis zu 3,5 Prozent Minus noch etwas besser als ihre französischen Wettbewerber PSA und Renault.

Die Auswirkungen der Virusausbreitung hatten auf dem so wichtigen chinesischen Markt im Februar zu einem Absatzeinbruch gegenüber dem Vorjahresmonat um 80 Prozent geführt. Die Experten der DZ Bank halten entsprechend Gewinnwarnungen für wahrscheinlich, und fürchten wochenlange Unsicherheit, bis die Schäden zu beziffern seien.

Luftfahrt und Touristik: Wegen Reisebeschränkungen und stornierter Urlaube werden auch weiterhin Papiere von Luftfahrt- und Touristik-Werten gebeutelt. Der europäischen Branchenindex fiel um bis zu 4,3 Prozent auf ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief von 197,21 Punkten. In London waren Aktien von Carnival mit 2008 Pence zeitweise so billig wie zuletzt vor acht Jahren, nachdem einem Kreuzfahrtschiff der Firma wegen Virus-Sorgen die Einfahrt in den Hafen von San Francisco verweigert wurde. Die Papiere von TUI fielen um 7,3 Prozent auf ein Rekordtief von 500 Pence.

Banken: Die Papiere der Commerzbank sind bereits gestern auf ein historisches Tief gefallen. Auch die Deutsche Bank ächzt immer schwerer. Ein Blick auf den Eurostoxx 600 Banks, der sich auch immer mehr wieder seinem Tief nähert, zeigt dass auch die restliche Bankenlandschaft stark unter Druck steht.

Der Bankensektor spürt wieder vermehrt den Druck der Geldpolitik der Notenbanken, die angesichts des Coronavirus Maßnahmen auf den Tisch legen, um die Konjunktur zu stützen. Für die Banken heißt das jedoch weiter schmelzende Margen im wichtigen Kreditvergabegeschäft aufgrund der niedrigen Zinsen.

Ölmarkt: Die Rezessionsangst spiegelte sich auch am Rohölmarkt wider, wo der Preis für die Sorte Brent aus der Nordsee um 2,2 Prozent auf 48,91 Dollar je Barrel (159 Liter) fiel. Anleger befürchteten, dass Russland der von der Opec vorgeschlagenen zusätzlichen Kürzung der Fördermengen um 1,5 Millionen Barrel pro Tag nicht zustimmen werde, schrieben die Analysten der Investmentbank RBC Capital Markets. Das wäre der Todesstoß für die Kooperation des Kartells mit anderen großen Exportländern.

„Abwärtsspirale droht“

„Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse steigt das Risiko einer kurzen, drastischen Rezession erheblich“, warnte Nigel Green, Chef des Anlageberaters deVere. Dabei drohe eine Abwärtsspirale aus geringeren Konsumausgaben und Investitionen, die Stellenstreichungen auslösten, die wiederzum zu geringeren Konsumausgaben und Investitionen führten.

Einige Börsianer bezweifelten zudem, dass Zinssenkungen oder die Ankündigung von Konjunkturprogrammen den Börsen die erhoffte Entspannung brächten. Stattdessen schüre der Aktionismus Nervosität. „Das billige Geld und die milliardenschweren Hilfspakete können nur die Symptome lindern, die Ursache bekämpfen sie nicht“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader.

onvista/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: MaxxiGo / Shutterstock.com

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