Staatsanleihen: Der Wahnsinn mit den negativen Renditen – Rekordhoch von 15 Billionen Dollar an Negativ-Bonds – Was sind die Gründe?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Nach dem Kursbeben am Montag gab es eine massenhafte Flucht in Staatsanleihen, da die Anleger auf der Suche nach sicheren Häfen waren, um ihr Kapital zu schützen. Die Kurse der Anleihen sind dabei stark gestiegen, während die Renditen teilweise auf Rekordtiefs gefallen sind.

Am Donnerstag sind die Kurse deutscher Bundesanleihen wieder etwas gesunken. Die Umlaufrendite stieg im Gegenzug von ihrem Rekordtief bei minus 0,59 Prozent am Vortag auf minus 0,58 Prozent, wie die Deutsche Bundesbank in Frankfurt mitteilte. Es gab 35 Verlierer mit Kursabschlägen von bis zu 1,74 Prozentpunkten. Dem standen 27 Gewinner mit Aufschlägen von bis zu 0,08 Punkten gegenüber. Die Bundesbank kaufte netto Anleihen im Wert von 0,2 Millionen Euro. Der Rentenindex Rex stieg um 0,03 Prozent auf 146,42 Punkte. Diesen Index berechnet die Deutsche Börse auf Basis der Kassakurse ausgesuchter Anleihen.

Entscheidend für die schwächere Nachfrage nach sicheren Wertpapieren waren zum einen überraschend solide Daten vom chinesischen Außenhandel. Hinzu kam ein leichter Anstieg des chinesischen Yuan, der an den Märkten seit dem Warnschuss Chinas am Montag als wichtiges Stimmungsbarometer empfunden wird.

Menge der Anleihen mit negativen Renditen auf Rekordhoch

Trotz des kurzfristigen leichten Rückgangs sind die Auswirkungen der weltweiten wirtschaftlichen Unsicherheit zunehmend bemerkbar. Die Bestände an Staatsanleihen, die mit negativen Renditen gehandelt werden, sind auf ein absolutes Rekordhoch von 15 Billionen US-Dollar angewachsen. Das entspricht nach letzten Angaben der Deutschen Bank einem Viertel aller im Umlauf befindlichen Anleihen. Seit Oktober 2018 hat sich die Menge verdreifacht.

Auch die deutschen Staatsanleihen hat es getroffen. Letzte Woche ist sogar die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen ins Minus gerutscht. „Die Minuszinsen der EZB wirken wie eine Steuer auf Ersparnisse“, sagt David Folkert-Landau, Chefökonom der Deutschen Bank. Laut den Berechnungen des Experten verlieren Sparer in Europa dadurch jährlich etwa 160 Milliarden Euro.

Dieser Effekt ist vor allem durch die massiv gelockerte Geldpolitik der Zentralbanken auf der gesamten Welt angetrieben worden. Die eigentliche Funktion der Anleihen wird in diesem Umfeld im Grunde ad absurdum getrieben, da Käufer von Staatsanleihen den Nationen eigentlich Geld zahlen, in der Erwartung, es nach Ablaufdatum mit einem Zins wiederzuerhalten. Jetzt bezahlen Anleger so gesehen sogar dafür, den Staaten Geld zu leihen. Die Maßnahmen der Notenbanken, die Wirtschaft vor einer schwachen Konjunktur, bis hin zur Rezession mit extrem lockerer Geldpolitik entgegenzuwirken, verstärkt diesen Effekt.

Warum fließt so viel Geld in Staatsanleihen?

Für institutionelle Anleger, wie beispielsweise Renten-Fonds, gelten aufgrund der gigantischen Menge an Geld, das sie verwalten, bestimmte Anlagerichtlinien, denen sie folgen müssen. Anleihen sind häufig ein fester Kaufsgegenstand im Investment-Plan, aus Gründen der Sicherheit und zur Bewahrung der nötigen Liquidität. Aber auch wenn die Nachfrage generell auf dem Markt wächst, gilt nach den Richtlinien für die Fonds die Devise, diese sicheren Assets zu kaufen. Das treibt die beobachtete Entwicklung der Anleihen zusätzlich an.

Auch langfristige Gründe für den Effekt?

Joachim Fels, globaler Wirtschaftsberater von PIMCO, äußert gegenüber der Nachrichtenagentur CNBC einen weiteren Faktor, der die Investitionsflüsse in Anleihen forciert: „Die steigende Lebenserwartung erhöht die gewünschten Einsparungen, während neue Technologien Kapital einsparen und billiger werden – und somit die Ex-ante-Nachfrage nach Investitionen verringern. Die daraus resultierende Einsparungsschwemme tendiert dazu, den „natürlichen“ Zinssatz immer weiter nach unten zu drücken.“

Auch die US-Staatsanleihen, die unter dieser Asset-Klasse als der ultimative sichere Hafen gelten, sind laut Fels nicht vor dieser Entwicklung gefeit. „US-Staatsanleihen, die von vielen Anlegern als ultimativer „sicherer Hafen“ neben Gold angesehen werden, sind möglicherweise keine Ausnahme vom Negativrendite-Phänomen. Und wenn die Handelsspannungen weiter zunehmen, könnten sich die Anleihemärkte schneller in diese Richtung bewegen, als viele Anleger glauben.“

Bisher sind die US-Bonds noch nicht in den negativen Bereich abgerutscht und zahlen dem Besitzer bei Auslaufen noch eine Rendite. Bei 10-jährigen Papieren beispielsweise noch 1,6 Prozent. Dieser Wert ist aber ebenfalls stark gesunken.

(onvista-Redaktion/dpa-AFX)

Titelfoto: Noska Photo / Shutterstock.com

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