Kutzers Zwischenruf: Die EZB liefert – und jetzt?

Hermann Kutzer · Uhr

Europas Währungshüter stemmen sich gegen die Konjunkturschwäche. Der EZB-Rat hat heute geliefert – ungefähr so, wie es viele Börsianer erhofft und Volkswirte befürchtet hatten. Die Kurse zucken spontan noch unsicher hin und her: Aktien weiter rauf, Euro runter, Gold glänzend. Das Draghi-Team hat ein Paket geschnürt, ohne alles Mögliche hineinzupacken. Damit kann die künftige EZB-Chefin noch nachlegen, wenn sie will. Aber was bedeutet der heutige Tag für Wirtschaft und Finanzmärkte?

Nur nebenbei: Die Politik der EZB schmeckt Donald Trump überhaupt nicht. Amerikas oberster „Geldexperte“ schmäht nicht nur die heimische Notenbank, sondern wirft jetzt auch der EZB vor, die US-Wirtschaft zu schädigen, weil der Euro geschwächt wurde. Auch aus dem Kreis unser Top-Wissenschaftler kommt spontan vereinzelt Kritik: Zwar musste die EZB handeln, sagt man, weil ihr Spitzenpersonal in den vergangenen Monaten sehr hohe Erwartungen im Hinblick auf eine weitere geldpolitische Lockerung geweckt hatte. Das jetzt beschlossene Paket gehe weit über das Vertretbare hinaus.

Unmittelbar vor der EZB-Sitzung hatten weitere Forschungsinstitute ihre zunehmenden Konjunktursorgen veröffentlicht: Die deutsche Industrieproduktion strauchelt. Wie ein „Ölfleck“ breite sich diese Schwäche auf andere Wirtschaftszweige aus, prognostiziert das Ifo-Institut. Auch andere Experten sehen ein sehr hohes Rezessionsrisiko. Das liegt, wen wundert’s, nicht zuletzt am Brexit und an Handelsstreits.

Für die Anleger hat sich nichts entscheidend geändert – die Fragezeichen bleiben. Wichtigste Marktfaktoren bleiben die internationale Geo- und Wirtschaftspolitik. Und die sind unberechenbar. Dieses EZB-Paket bringt keinen konjunkturellen Umschwung (Irrtum nicht ausgeschlossen). Da auch die Fiskalpolitik (noch) nicht eingreift, brauchen wir Geduld, um wieder klar zu sehen. Eine leichte, kurze „technische Rezession“ wäre kein Drama. Jedenfalls sehe ich keinen Anlass für die Anleger, ihre überwiegend noch vorsichtig-zurückhaltende Strategie am Aktienmarkt aufzugeben.

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