Kutzers Zwischenruf: Inflation gefährdet die neue Popularität der Aktie

Hermann Kutzer · Uhr

Kann der furchterregende Ukraine-Krieg rasch beendet werden, so dass der dahinterstehende Ost-West-Konflikt nicht zu einem Weltkrieg führt? Ist also eine friedliche Koexistenz unterschiedlicher Systeme dauerhaft möglich? Das sind nicht die einzigen globalen Fragen, die uns leider noch länger beschäftigen werden. Sie dürfen aber nicht die übrigen Problemfelder verdrängen – insbesondere Pandemie, Klimawandel, Konjunkturschwäche, Inflation. Denn mit jedem Tag wird deutlicher, wie eng diese zusammenhängen. Während viele Bundesbürger die mit Corona verbundenen Gefahren noch immer nicht erkennen wollen (die Impfmüdigkeit nimmt seit Tagen zu!), sorgen die dramatischen Preisanstiege bei Gas, Öl, Sprit und Lebensmittel für helle Aufregung.

Volkswirte erwarten für Deutschland im laufenden Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 4,4 Prozent. Das geht aus der Umfrage des Ökonomenpanels von Ifo-Institut und FAZ hervor. Für kommendes Jahr erwarten sie 3,4 Prozent. Das Inflationsziel der EZB liegt bei knapp 2 Prozent. Die Europäische Zentralbank soll daher sofort beginnen, die Inflation zu bekämpfen, sagen 75 Prozent der Teilnehmenden. 69 Prozent halten eine Zinserhöhung für die geeignetste Maßnahme.

Dazu passende Zahlen liefert die neue Gothaer Anlegerstudie. Denn die Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB wird immer deutlicher: Mittlerweile sind 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass dies der falsche Weg ist. 2021 waren es nur 41 Prozent. Die Angst vor einer Inflation und einem sinkenden Lebensstandard nimmt ebenfalls stark zu. Noch immer ist Sicherheit das wichtigste Anliegen der Menschen bei der Geldanlage (52 Prozent), jedoch steigt gleichzeitig die Risikobereitschaft (2022: 44 Prozent, 2021: 34 Prozent). Das Sparbuch, als vermeintlich sichere Geldanlage, liegt unverändert auf Platz eins der Beliebtheitsskala (46 Prozent). Auf Platz zwei stehen Immobilien), den dritten Platz teilen sich Bausparverträge und Fonds. Die steigende Nachfrage nach Fonds geht mit einer wachsenden Risikobereitschaft der Deutschen einher. Das bestätigt eine Reihe früherer Studien und darf als wichtigster Fortschritt für die lange total unterentwickelte Anlagekultur hierzulande gelten. Aktien haben in dieser Befragungsreihe seit 2014 konstant an Zuspruch gewonnen. Also ein klarer Trend: Die Deutschen setzen wieder zunehmend auf ertragreichere Anlageformen.

Als jahrzehntelanger Aktienförderer kann ich aufmunternd nur appellieren: weiter so! Doch ist der Trend in Gefahr. Das Zusammenwirken von unerwartet hoher Inflation, Krieg im Osten Europas und drohender Rezession könnte die „German Angst“ wiedererwecken – letztlich also auch die Rückkehr zum Sparbuch. Und das, obwohl die Inflation (auch in absehbarere Zukunft) höher klettern wird als die Zinsen am Geld- und Rentenmarkt. Merke: Auf die reale Kapitalverzinsung (= Kaufkraft) kommt es an. Die Anlageklasse Aktie mit ihrer langfristigen Wertentwicklung von durchschnittlich 6 bis 9 Prozent p.a. sollte für Privatanleger ein noch größeres Gewicht gewinnen – trotz zwischenzeitlicher Baisse- oder gar Crash-Phasen und trotz der extremen Kursturbulenzen wie jetzt.

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