Stefan Riße: Aktienmarkt resistent gegenüber schlechten Nachrichten – ein gutes Zeichen!
Von den großen Technologie-Unternehmen in den USA legten zuletzt Apple und Amazon ihre Zahlen vor. Beide schlugen die Erwartungen der Analysten, vor allem Amazon überraschte mit deutlich besseren Umsätzen. Die Reaktion an der Börse ließ nicht lange auf sich warten. Die Aktien der beiden Unternehmen stiegen nach der Meldung an. Das war die erwartbare Reaktion. Bedeutsamer war daher die Reaktion, die die Kurse der anderen Tech-Riesen wie Meta, Alphabet und Microsoft zeigten, nachdem diese in den Tagen davor ihre Zahlen gemeldet hatten. Die drei genannten konnten die Erwartungen der Analysten nämlich nicht erfüllen. Doch die Kurse reagierten wie bei Amazon und Apple nach einem ganz kurzen Abschlag dann ebenfalls mit Kursgewinnen und notierten ein wenig später höher als noch vor der Veröffentlichung der Geschäftszahlen.
Wenn ein Markt auf schlechte Zahlen nicht mehr reagiert, …
… dann ist das ein Zeichen dafür, dass er ziemlich ausverkauft ist. Das ließ sich in der Vergangenheit immer wieder beobachten. Und nicht nur die Reaktion der genannten Tech-Unternehmen war überraschend positiv trotz schlechter Zahlen, auch im Durchschnitt fiel die Abwärtsreaktion von Unternehmen, die in der laufenden Berichtsaison die Erwartungen nicht erfüllten, äußerst gering aus.
Das ist auf jeden Fall ein vielversprechendes Zeichen. Denn offenbar befinden sich die Aktien nun in Händen solcher Anleger – zu denen wir uns auch zählen –, die einen langfristigen Blick haben und die aufgrund eines schwachen Quartalsergebnisses oder einer Schwächeperiode nicht plötzlich ihre Anlageentscheidungen über den Haufen werfen. So gesehen müsste das Abwärtspotenzial derzeit gering sein.
Die USA befinden sich bereits in einer Rezession
„Schnelle Rezession wäre wünschenswert“, lautete vor fünf Wochen die Überschrift meiner Kolumne hier. Nun ist sie bereits eingetreten. Denn die US-Wirtschaft ist aufs Jahr hochgerechnet um 0,9 Prozent im zweiten Quartal geschrumpft. Da sie auch im ersten Quartal bereits rückläufig war, haben wir nun zwei Quartale hintereinander ein Minus gesehen, was technisch betrachtet als Rezession bezeichnet wird. Fraglos fühlt sich diese in den USA bisher noch nicht so an, denn noch immer kann jeder, der arbeiten möchte, dort einen Job finden, und haben die Unternehmen Probleme, Stellen zu besetzen. Das alles geht aber auf eine Verzerrung durch die völlig überdimensionierten Hilfszahlungen des Staates während der Coronakrise zurück. Bis heute sind einige nicht in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt, weil sie noch immer von diesen Geldern leben. Auch der Aktienmarkt sieht nicht nach Rezession aus. Genauso wie enttäuschende Unternehmenszahlen ihm nichts anhaben konnten, wurde auch die überraschende Schrumpfung der US-Wirtschaft im zweiten Quartal mit einem Schulterzucken an der Wall Street quittiert. Im Gegenteil, der Markt greift nun die Logik meiner zitierten Kolumne auf, wonach eine schnelle Rezession zum einen Druck von der Inflationsfront nimmt und zum anderen die Notenbank mit hoher Wahrscheinlichkeit zögerlicher bei ihrer Inflationsbekämpfung werden dürfte. Dies wird sie nicht nur, wenn die Inflation langsamer wächst, sondern auch weil die Prioritäten sich dann wieder mehr in Richtung Rezessionsbekämpfung verschieben. Die Erholungsrallye, in der wir uns derzeit befinden, scheint insofern noch erst mal auf ganz soliden Füßen zu stehen. Wie weit sie läuft, wird am Ende davon abhängen, wann die US-Notenbank in der Geldpolitik tatsächlich umschwenkt. Solange sie daran festhält, ab September das doppelte des derzeitigen Volumens und damit Staatsanleihen im Wert von 90 Milliarden US-Dollar aus ihrer Bilanz zu verkaufen, bleibt der Aktienmarkt hierdurch belastet. Zunächst einmal sollte man sich aber über weitere Kursgewinne freuen können. Die Wiederentdeckung der Big Techs dürfte erst begonnen haben. Sie verdienen kräftig und können gestiegene Kosten locker an Kunden weitergeben. Die Technologieunternehmen ohne Umsatz und Gewinne dürften es dagegen äußerst schwer haben, ihre vorherigen Kursverluste wieder aufzuholen.