Kolumne Heiko Böhmer

An der Börse ist auch "ungefähr richtig" viel wert

Heiko Böhmer · Uhr

Wer am Kapitalmarkt investiert, muss mit Unsicherheiten zurechtkommen. Dabei ist es mehr wert, mit mehreren Szenarien zu arbeiten, die sich als ungefähr richtig erweisen – als auf eins zu setzen und Gefahr zu laufen, dass es nicht eintritt.

Jemand betrachtet Aktienkurse.
Quelle: Adobe.com/insta_photos

Wer an den Märkten unterwegs ist, wünscht sich die eine Zahl, die alles erklärt. Die Realität antwortet mit einem freundlichen Schulterzucken und einem Stapel Datensätzen, die sich gegenseitig widersprechen. Genau hier beginnt die wahre Kunst der Prognose: nicht das Orakel, sondern der Prozess. Es geht also um das Arbeiten mit Bandbreiten, mit verschiedenen Szenarien und um das regelmäßige Kalibrieren – denn Zahlen werden revidiert, Zyklen drehen und die Politik ändert gelegentlich die Spielregeln. 

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Ein gutes Beispiel liefert der US-Arbeitsmarkt. Auf der Oberfläche wirkt das Bild solide: kein Einbruch, aber der Takt ist spürbar weicher geworden. Unter der Haube sieht man, wie sich Ströme verschieben: die Erwerbsquote gibt leicht nach, die Langzeitarbeitslosigkeit kratzt an den Nerven und die monatlichen Revisionen, in den meisten Fällen nach unten, erinnern daran, dass die „Erstzahl“ oft nur die Vorschau ist – die Hauptvorstellung kommt später. Kurz: Wer nur die Schlagzeile handelt, handelt häufig die falsche Zahl.

Das macht die Interpretation anspruchsvoll – selbst für die Notenbank. Inflation, Löhne, Beschäftigung: Je nachdem, auf welchen Subindikator man schaut, ergeben sich leicht drei plausible Geschichten. Die passende Reaktion? Keine Glaskugel, sondern ein robuster Rahmen: Basisszenario (weiche Landung), Risikoszenario (breiter Jobabbau/weiter fallende Erwerbsquote) und Positivszenario (Produktivität und Reallöhne ziehen an). Die Gewichte zwischen diesen Szenarien sind nicht fix, sondern eine Schiebelehre – sie werden angepasst, wenn neue Daten verlässlich sind. 

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Für Privatanleger heißt das: Leading schlägt Lagging. Also nicht nur auf die Faktoren schauen, die der Gegenwart etwas hinterherlaufen, wie die Arbeitslosenquote. Sondern es lohnt sich auch der Blick auf Arbeitsstunden, Zeitarbeit, Stellenausschreibungen und Lohntracker. Diese Größen verraten oft früher, wann Unternehmen bei Nachfrage oder Marge vorsichtiger werden.

Damit es funktioniert, braucht es Regeln

Parallel gilt: Qualität vor Zykluswette. Firmen mit soliden Bilanzen, Preissetzungsmacht und freiem Cashflow sind die Stoßdämpfer, wenn die Makroampel von „grün“ auf „gelb“ flackert. Glamour ist das nicht – aber charmant zuverlässig. Und das hilft auf jeden Fall in unsicheren Zeiten. 

Damit das Ganze nicht nur klug klingt, sondern funktioniert, braucht es Regeln: Positionsgrößen statt Bauchgefühl, Rebalancing statt Romantik, und eine Einsatzreserve für die Momente, in denen die Herde in die falsche Richtung rennt. Wer in Tranchen investiert, baut automatisch das ein, was Prognosen selten liefern: Demut gegenüber dem Unbekannten. Und ja, das ist der unsexy Teil – aber genau der, der langfristig die meiste Wirkung entfaltet.

Fassen wir zusammen: Der US-Arbeitsmarkt sendet gemischte Signale, die Wirtschaft wirkt widerstandsfähig, aber nicht unverwundbar, und Prognosen sind 2025 mehr Navigationskunst als Landkarte. Unser Kompass: Trends statt Einzelsignal, Breite statt Schlagzeile, Prozess statt Punktlandung. Oder, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Wir nehmen lieber „ungefähr richtig“ – denn „genau falsch“ hat schon genug Portfolios ruiniert.

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