Heiko Böhmer: Rückkehr in die „gute alte Zeit“

Heiko Böhmer · Uhr
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Zeitreisen sind spannend – auch wenn man sie nur im Kopf durchführen kann. Bei meinen Vorträgen in den vergangenen Wochen habe ich meine Zuhörer auf eine solche gedankliche Zeitreise mitgenommen. Die Ausgangsfrage lautete: „Wer möchte, dass es wieder so wird wie im Herbst 2019?“ Eine einfache Frage, auf die ich doch erstaunliche Antworten bekommen habe.

Angefangen habe ich mit der Frage auf einer Roadshow Anfang Dezember in München, Köln und Hamburg. Nachdem ich den Zuhörern einige Zeit zum Überlegen gegeben hatte und das Ganze mit News aus dem Herbst 2019 anreicherte, gingen doch viele Hände nach oben. Mindestens ein Drittel der Zuhörer wollte zurück in „die gute alte Zeit“.

Tatsächlich war einiges anders und vieles besser – vor allem sehr viel billiger. 250 Gramm Butter kosteten im Supermarkt keine zwei Euro und nicht wie aktuell bis zu 3,50 Euro. Und das ist nur ein sehr kleines Beispiel für das, was wir alle an Preissteigerungen seitdem erlebt haben.

Gleichzeitig waren auch die Nachrichten sehr viel weniger von Krisen geprägt als heute. Es gab keinen Krieg auf europäischen Boden. Es gab keine massiv gestiegenen Zinsen. Damals lag kein Jahr hinter uns, das, bezogen auf die Rendite am Anleihen- und Aktienmarkt, nur als historisch schlecht bezeichnet werden kann, wie das 2022 der Fall war: ein Minus von 18 Prozent bei einem 60/40 Aktien-Anleihen-Portfolio mit US-Schwerpunkt. Im Herbst 2019 gab es aus Anlegersicht in den USA zumindest noch eine minimal positive Realrendite.

Das Interesse an einer Zeitreise ist zuletzt massiv gesunken

Wie gesagt: Anfang Dezember wünschte sich noch ein Drittel der Zuhörer eine Rückkehr in diese Zeit. Doch dann, im Januar 2023, änderte sich etwas. Bei mehr als zehn Vorträgen in ganz unterschiedlichen Gegenden von Kiel über Luxemburg und Dresden bis Nürnberg gab es plötzlich andere Reaktionen: Neben meinem Arm, denn ich würde gerne in den Herbst 2019 zurückkehren, gehen seit dem Jahresanfang nur noch wenige weitere Arme hoch. Was ist passiert?

Ganz ehrlich: Ich kann es Ihnen nicht wirklich sagen, sondern nur vermuten. Vielleicht möchten viele Menschen einfach nicht in der Zeit zurückgehen – auch wenn es objektiv betrachtet vor vier Jahren einfachere Lebensumstände für viele Menschen gab.

Vielleicht gewöhnen wir uns alle an schlechte Nachrichten

Vielleicht ist es aber auch einfach nur die Gewöhnung an die Umstände oder an das Umfeld aus immer nur negativen Nachrichten. Der bekannte US-Investmentexperte Morgan Housel hat das sehr schön in seinem „Schockzyklus für Nachrichten“ zusammengefasst.

Quelle: Heiko Böhmer

Möglicherweise befinden wir uns derzeit wirklich in der Phase des Akzeptierens der schlechten Nahrichten. Doch das birgt auch wieder Hoffnung für die weitere Entwicklung 2023: Der Schockzyklus zeigt eben auch, dass nach der aktuellen Phase das Ignorieren der positiven Nachrichten folgt.

Noch sind wir zwar an diesem Punkt nicht angelangt, doch wenn ich die Stimmung der Zuhörer aus den vergangenen Wochen richtig deute, dann ist diese Phase vielleicht nicht mehr allzu weit entfernt. Tatsächlich habe ich bei diesem Punkt eine klare Verbesserung festgestellt: Während Anfang Dezember die meisten Zuhörer uns noch beim Akzeptieren der schlechten Nachrichten sahen, haben sich hier die Antworten doch zum Besseren verschoben. Das Ignorieren der guten Nachrichten, und damit der Stimmungsumschwung zum Positiven, rückt immer mehr in den Fokus. Das stimmt doch zuversichtlich.

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