Kolumne

Gute Kurse, schlechte Stimmung

Stefan Riße · Uhr
Quelle: Jirapong Manustrong/Shutterstock.com

Wer in diesen Tagen nach Erklärungen für die guten Aktienkurse sucht, wird bei den Stimmungsindikatoren fündig. Selten war die Stimmung nach einer so langen Hausse, wie wir sie seit Jahresbeginn erlebt haben, so schlecht. Nun mag der eine oder andere einwenden, dass gewisse Stimmungsindikatoren wie der beliebte Fear&Greed-Index von CNN im Bereich der Gier liegen. Das ist richtig, liegt aber auch daran, dass hier Trendindikatoren einfließen, die allein durch den Aufwärtstrend der Aktien ins Positive drehen.

So gibt es Stimmungsindikatoren, die zum Beispiel Börsenbriefe auswerten, von denen viele Handelssignale generieren, die auf Trendfolgesystemen basieren. Dazu gehört z.B. der Hulbert-Index, der für die Nasdaq wieder einen recht deutlichen Optimismus anzeigt, einfach weil die Kurse gestiegen sind. Schaut man sich aber die Stimmungsindikatoren an, die ermittelt werden, indem man die Anleger nach ihren Kurserwartungen fragt, dann ist die Stimmung so schlecht, wie man sie sonst nur nach deutlichen Einbrüchen an den Aktienmärkten messen kann. So erwarten die Kunden von J.P. Morgan zu fast 70 Prozent einen fallenden S&P 500 Index bis zum Jahresende. Nur noch gut fünf Prozent gehen von steigenden Kursen aus.

Debt Ceiling und Saisonzyklus dämpfen weiterhin die Stimmung

Die allgemeine Erwartung während des gesamten Jahres war, dass die Aktien in der Konstellation einer sich abschwächenden Konjunktur und weiter steigender Zinsen eigentlich nach Süden laufen müssten. Bekanntlich war das Gegenteil der Fall. Mit Beginn des Monats Mai und damit der statistisch schlechtesten Börsenperiode und der drohenden Blockade bei der Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA stieg bei den Pessimisten die Hoffnung, dass nun endlich das Logische eintreten müsse. So nahm der Pessimismus wieder zu und der Risikoappetit deutlich ab. Und was passierte?

Erneut stiegen die Aktienkurse entgegen der allgemeinen Erwartung weiter. Man muss sich klarmachen, dass bei steigenden Kursen die Aktienbesitzer nicht in Schwierigkeiten kommen. In Not geraten in dieser Börsenphase nur diejenigen, die auf fallende Kurse gesetzt haben und deren Verluste immer größer werden. Das Eindecken ihrer Short-Positionen treibt die Kurse dann Stück für Stück nach oben, während gleichzeitig die institutionellen Anleger, die an einer Benchmark gemessen werden, den steigenden Kursen hinterherlaufen. Tatsächlich dürfte diese Konstellation seit Jahresbeginn die treibende Kraft hinter den steigenden Kursen sein und den DAX auf ein neues Allzeithoch getrieben haben.

Die Angst vor einem möglichen Shutdown der US-Regierung aufgrund der Blockade der Schuldenbremse durch die Republikaner ist mittlerweile so stark in den Vordergrund gerückt, dass ich persönlich davon ausgehe, dass auch dies nicht mehr der Auslöser für einen größeren Einbruch sein wird, wie es beispielsweise 2011 der Fall war. Wenn irgendwann im Verlauf des Jahres noch ein größerer Einbruch kommt, dann dürfte dieser unerwartet kommen, ausgelöst durch ein unerwartetes Ereignis. Dies muss dann gar nicht so erheblich sein, wenn der Markt reif ist für die Korrektur.

Marktbreite fehlt

Auch wenn die Stimmungsindikatoren eher darauf hindeuten, dass ein schärferer Einbruch zumindest kurzfristig nicht unmittelbar bevorsteht, sendet insbesondere der amerikanische Aktienmarkt weitere Warnsignale. Zwar steigen die Indizes wie der S&P 500 oder die Nasdaq immer noch, aber die Breite der Aktien steigt seit geraumer Zeit nicht mehr. Seit Jahresbeginn sind im S&P 500 Index mehr Werte gefallen als gestiegen. Der Anstieg seit Jahresbeginn wurde zu 97 Prozent von den 15 größten Aktien getragen.

Die restlichen 485 Aktien trugen die restlichen drei Prozent bei. An der Nasdaq sind die Verhältnisse ähnlich. In der Vergangenheit deutete ein solcher Mangel an Marktbreite darauf hin, dass dem Gesamtmarkt bald die Kraft ausgehen wird. Warten wir es ab. Momentan befinden sich nach wie vor die Bären im Schwitzkasten.

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