Kolumne

Rasanter Stimmungswandel an der Börse

Stefan Riße · Uhr
Quelle: Sittipong Phokawattana / Shutterstock.com

Die jüngsten Kursgewinne haben die Stimmung in luftige Höhen befördert. Die Jahresendrallye dürfte gelaufen sein. „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“, so heißt es in „Klärchens Lied“ von Goethe.

Beide Stimmungsextreme haben die Börsen in den vergangenen Wochen erlebt. Nach der Korrektur ab August, die Ende Oktober mit der Krise im Nahen Osten ihren Höhepunkt erreichte und die wichtigsten Indizes um rund zehn Prozent nach unten gedrückt hatte, war von der guten Stimmung im Sommer nichts mehr übrig. Im Gegenteil.

Hedgefonds und andere, vor allem systematisch agierende Marktteilnehmer setzten massiv auf fallende Kurse. Entsprechend groß waren die Short-Positionen in den Future-Kontrakten auf den S&P 500.

Die Schmerzen lagen auf der Upside

In einer solchen Situation ist der sogenannte „Pain Trade“, also die Marktentwicklung, die Schmerzen verursacht, die nach oben laufende. Denn dann müssen diejenigen, die auf fallende Kurse gesetzt haben, ihre Positionen mit immer größeren Verlusten eindecken. Diese Käufe treiben den Markt dann extrem schnell nach oben.

Genau das haben wir in den letzten drei Wochen erlebt, denn diese Marktteilnehmer sind nun plötzlich wieder auf steigende Kurse positioniert. Gleichzeitig hat sich insgesamt das Sentiment in dieser kurzen Zeit wieder komplett gedreht, was außergewöhnlich ist.

Man kann das sehr gut an der Stimmung der amerikanischen Privatanleger ablesen. Waren diese am 1. November noch in 50,3 Prozent Bären und 24,3 Prozent Bullen geteilt, so waren es zuletzt nur noch 27,4 Prozent Bären und wieder 47,3 Prozent Bullen. Auch andere Indikatoren spiegeln dieses Bild wider. So ist der täglich erhobene Hulbert-Indikator für den Nasdaq von in der Spitze minus 40,9 Prozent auf zwischenzeitlich wieder plus 81,8 Prozent gestiegen. 

Allgemein wird eine Jahresendrallye erwartet

Erklärbar ist dieser Stimmungsumschwung wohl damit, dass viele Anleger auf eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung und den Übergang in eine Jahresendrallye spekulieren. Was bedeutet das nun für den weiteren Jahresverlauf aus stimmungstechnischer Sicht?

An sich sollten wir das Beste bereits gesehen haben und die Börsen bis zum Jahresende bestenfalls seitwärts laufen. Die zu gute Stimmung, gepaart mit einer weiterhin restriktiven Geldpolitik und sinkenden konjunkturellen Frühindikatoren, sprechen eigentlich für fallende Kurse, aber die saisonal gute Jahreszeit könnte dies verhindern.

Wenn dem so ist, dann ist für den Jahresanfang auf jeden Fall Vorsicht geboten. Die derzeitige Situation erinnert mich an die Jahre 2007 und 2008. Mit Bear Stearns in den USA und der IKB in Deutschland gab es im Sommer 2007 die ersten Opfer der geplatzten Immobilienblase in den USA und deutliche Kursverluste zur Jahresmitte. Bis zum Jahresende erholten sich die Kurse jedoch fast vollständig wieder, gemessen am Dax. Im Januar kam dann aber der erneute Einbruch, der nur der Anfang eines äußerst schwierigen Börsenjahres gewesen sein sollte.

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