Kolumne von Alexander Mayer

Kein Ethereum-ETF im Mai? Krypto-Bullrun in Gefahr?

decentralist.de · Uhr
Quelle: Chinnapong / Shutterstock.com

Die Zulassung für Bitcoin-Spot-ETFs an der Wallstreet Anfang des Jahres war ein Paukenschlag, der den Krypto-Bullenmarkt entfesselt hat. Seitdem haben die kontinuierlichen Zuflüsse gezeigt, dass das Interesse der institutionellen Investoren durchaus groß ist. Während Hedge Fonds, Family Offices und Venture Capital Unternehmen den Schritt in das digitale Asset bereits gewagt haben, könnte das jedoch erst der Anfang gewesen sein. Die ganz großen Spieler der Wallstreet, darunter große Broker-Häuser, Banken, Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, bereiten sich laut Bitwise, einem der größten US-Bitcoin-ETF-Anbieter, erst auf einen Einstieg vor. Mehr Informationen dazu finden Sie in meiner letzten Kolumne.

Ein Ethereum-ETF könnte für die Wallstreet von noch größerem Interesse sein 

Die neue heiße Wette hat sich nun jedoch auf Ethereum, die Nummer zwei im Krypto-Sektor, verlagert. Optimisten erwarten eine Zulassung für einen Ethereum-ETF bis spätestens Ende Mai, denn dann endet die letzte Deadline für eine Entscheidung seitens der US-Börsenaufsicht SEC. Ein Ethereum-ETF dürfte ähnliches, wenn nicht sogar noch größeres Potenzial liefern als die Bitcoin-ETFs, denn während Bitcoin als autonomes und nicht inflationierbares Asset als Absicherung gegen die derzeitigen makroökonomischen Probleme interessant ist, gestalten sich die Möglichkeiten bei Ethereum als wesentlich vielfältiger.

Ethereum wird irrtümlich als Kryptowährung bezeichnet. Das ist jedoch nicht korrekt. Ether, der Token des Ethereum-Netzwerks, wird benötigt, um Interaktionen auf dem Netzwerk zu bezahlen. Der eigentliche Zweck von Ethereum liegt jedoch darin, eine Art dezentrales Betriebssystem zu sein, auf dem sämtliche digitalen Anwendungen automatisiert, dezentral und „permissionless“ (also ohne jegliche Zugangsbeschränkungen) umgesetzt werden können. Im Klartext kann man sich die langfristige Vision hinter Ethereum so vorstellen, dass sowohl Monopolisten wie Amazon, Google, Facebook und Co. als auch die generelle Bürokratie, die derzeit für die Organisation aller wirtschaftlichen Interaktionen notwendig ist, nicht mehr benötigt werden. Alles automatisiert und „mathematisch“ gesichert auf dieser neuen Infrastruktur stattfinden.

Das eröffnet aus der Investment-Perspektive extremes Potenzial für Ethereum. Die meisten Altcoin-Projekte sind experimentelle Versuche, ganz bestimmte wirtschaftliche Anwendungen in einer neuen Form umzusetzen. Die meisten Konzepte beziehen sich bisher auf finanzielle Anwendungen – der Oberbegriff dafür lautet „Decentralized Finance“ – doch es gibt bereits Ansätze in diversen anderen wirtschaftlichen Bereichen, darunter Supply Chain Management, Gaming, Cloud Computing und KI, um nur einige Beispiele zu nennen. 

Während Einzelinvestments in diese Projekte für institutionelle Investoren entweder regulatorisch gar nicht möglich sind oder aufgrund des hohen Risikos nicht infrage kommen, liefert Ethereum ein indirektes Investmentvehikel in den gesamten Sektor, da Ethereum als Infrastruktur im Wert mitwächst, je mehr Projekte auf dem Netzwerk umgesetzt werden. Je mehr Netzwerk-Interaktionen, desto höher der Bedarf nach Ether. Hinzu kommt, dass Ethereum seit dem „Merge“-Netzwerk-Upgrade im Jahr 2022 größtenteils deflationär ist, was das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage perspektivisch noch weiter verzerren könnte. Aus diesen Gründen wird einem möglichen Ethereum-ETF mit Begeisterung entgegengefiebert.

Wie wahrscheinlich ist ein Ethereum-ETF im Mai?

Doch die Euphorie des Marktes könnte im Mai einem Realitätscheck unterzogen werden, denn die Zulassung für einen Ethereum-ETF ist wesentlich unwahrscheinlicher als es für den Bitcoin-ETF der Fall war. Die SEC hat zuletzt eine neue Untersuchung eingeleitet, ob Ethereum als Security oder als Commodity eingestuft werden soll – ein zentraler Streitpunkt, der sich bereits seit Jahren hinzieht. Die Untersuchung folgt auf Vorladungen an Unternehmen, die mit der Ethereum Foundation verbunden sind, und spiegelt die Bestrebungen der SEC und der Biden-Administration wider, die Krypto-Regulierung in den USA zu verschärfen. Trotz der allgemeinen Einordnung sowohl von Bitcoin als auch Ethereum als „Ware“ durch die Commodity Futures Trading Commission CFTC, sieht SEC-Vorsitzender Gensler die meisten Kryptowährungen, einschließlich Ethereum, als Wertpapiere an.

Das stößt auf Unverständnis im Sektor, denn die Ausgangslage ist ähnlich wie bei Bitcoin: Auf Futures basierende ETF-Produkte, die lediglich die Kursentwicklung von Ethereum abbilden, sind bereits seit Herbst 2023 in den USA zugelassen worden. Aus Sicht einiger Marktteilnehmer hat die SEC damit indirekt bestätigt, dass Ethereum als eine Commodity eingestuft werden muss, damit außerhalb der US-Jurisdiktion liegt und von der SEC nicht wie ein Wertpapier reguliert werden kann.

Dennoch hat die SEC bisher wenig Bemühungen gezeigt, den Antragsstellern für die Ethereum-ETFs entgegenzukommen und in den Dialog zu treten, so wie es im Zuge der Bitcoin-ETF-Zulassungen der Fall war. Das stimmt einige Marktbeobachter, darunter auch die ETF-Analysten von Bloomberg, Eric Balchunas und James Seyffart, pessimistisch für eine Zulassung im Mai.

Das Gerichtsurteil, welches Grayscale, dem größten Bitcoin-Trust der Welt, recht in seiner Anschuldigung gegeben hatte, dass die Begründung der SEC für die wiederholten Ablehnungen der Anträge auf eine Umwandlung in einen ETF nicht berechtigt seien, war letzten Endes der entscheidende Anstoß, der die Bitcoin-ETFs ins Rollen gebracht hat. Für Ethereum gibt es ein solches Urteil noch nicht, doch es ist wahrscheinlich, dass die SEC auf lange Sicht, aus ähnlichen Gründen wie beim Bitcoin-ETF, einen Ethereum-ETF nicht wird verhindern können.

Wäre eine Ablehnung im Mai wirklich bärisch für Ethereum?

Früher oder später wird die SEC einen Ethereum-ETF genehmigen müssen. Sollte dies nicht im Mai passieren, könnte das kurzfristig für Enttäuschung sorgen und Momentum aus dem Krypto-Bullenmarkt ziehen. Doch andererseits könnte es auch positive Effekte haben und dem Bullrun langfristig mehr Schub geben, denn die Effekte des Bitcoin-ETFs haben gerade erst begonnen, Wirkung zu zeigen. 

Wie in der Einleitung beschrieben, hat die Wallstreet noch nicht richtig angefangen, ihre Fühler in Bitcoin zu stecken. In den nächsten Monaten könnte sich eine weitere große Welle an institutionellem Kapital in Bitcoin bewegen. Eine Verzögerung des Ethereum-ETFs würde dem Markt damit auch mehr Spielraum zum Atmen geben – und der Wallstreet die Zeit, Bitcoin zu integrieren. Ethereum als komplexeres Investment folgt als zweiter Schritt – mehr Spielraum für die Adaption kann hier langfristig etwas Gutes sein. Für den restlichen Krypto-Sektor liefern die dadurch entstehenden Kapitalzuflüsse ebenfalls ein bullisches Bild. Warum die ETFs ebenfalls zu extremen Kapitalzuflüssen in den Altcoin-Sektor führen können, habe ich in einer meiner letzten Kolumnen beschrieben.

Denken Sie langfristig!

Ethereum bleibt aus diversen Gründen als Investment interessant. Doch im Krypto-Sektor ist in den letzten Monaten der erste echte Konkurrent erwacht. Warum Solana aus der Investment-Perspektive deutlich mehr Potenzial als Ethereum haben könnte, erfahren Sie in der neusten Video-Ausgabe von decentralist.

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