Wirtschaftsweise Grimm zum ArcelorMittal-Rückzug: "Das Scheitern war absehbar"

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- von Holger Hansen

Berlin (Reuters) - Der Rückzug von ArcelorMittal aus der geplanten klimafreundlichen Stahlproduktion in Deutschland ist nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm ein Warnsignal für die Industriepolitik der Bundesregierung.

"Die Transformation zu grünem Stahl war von vornherein eine riesige Herausforderung", sagte Grimm am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Die hohen Anforderungen an den Transformationspfad, kombiniert mit hohen Strompreisen, hätten die Projekte von Beginn an mit erheblichen Risiken behaftet. "Es war abzusehen, dass diese Verhandlungen scheitern würden", sagte Grimm.

Die Professorin für Energiesysteme an der Technischen Universität Nürnberg gehört dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. Medienberichten zufolge will die für Energiepolitik zuständige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Grimm zudem in einen eigenen Beraterkreis aus Ökonomen berufen.

GRIMM: POLITIK MUSS SICH AUF RAHMENBEDINGUNGEN KONZENTRIEREN

Grimm kritisierte die bisherige Herangehensweise der früheren Bundesregierung. Diese habe auf staatliche Subventionen in Milliardenhöhe statt auf strukturelle Reformen gesetzt. Ein Problem seien die sogenannten Klimaschutzverträge, mit denen Unternehmen bei der Umstellung auf klimaneutrale Produktionsverfahren unterstützt werden sollen. "Gerade bei den Klimaschutzverträgen herrscht die Vorstellung vor, dass man die Transformation staatlich steuern könnte und durch die Ausschreibungen auch noch besonders günstig. Das entpuppt sich als Illusion", sagte Grimm. Die Verfahren seien zu komplex, zu langwierig und führten am Ende häufig nicht zum Erfolg.

Als Alternative forderte Grimm mehr Pragmatismus: "In der Transformationsphase sollte man etwa auf Gas und blauen Wasserstoff setzen." Statt einer komplexen Förderlandschaft müsse der Emissionshandel gestärkt werden.

Blauer Wasserstoff wird mit Erdgas erzeugt, wobei aber CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Im Gegensatz dazu wird grüner Wasserstoff mit erneuerbaren Energien produziert.

ArcelorMittal sei kein Einzelfall, sagt Grimm. Die Versprechen hoher staatlicher Subventionen führten nicht automatisch zum Erfolg: "Die Politik sollte sich daher dringend darauf konzentrieren, die strukturellen Rahmenbedingungen zu verbessern, anstatt mit Subventionen zu versuchen, die Transformation anzuschieben."

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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