EZB verspricht neue Geldspritzen und offenbart große Konjunktursorgen – Dax und Euro knicken ein

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit neuen großen Geldspritzen für Geschäftsbanken gegen einen Abschwung im Euro-Raum und verschiebt die Zinswende bis mindestens zum Jahresende.

Neue Geldspritzen für Banken ab Herbst

Die neuen Geldspritzen sollen eine Laufzeit von zwei Jahren haben und ab September 2019 ausgegeben werde, teilte die EZB am Donnerstag nach ihrer Ratssitzung in Frankfurt mit. Davon dürften vor allem Banken im rezessionsgeplagten Italien profitieren, die bei vorangegangenen Darlehen dieser Art stark zugegriffen hatten. Die Währungshüter betonten zudem, ihre Leitzinsen noch bis mindestens zum Jahresende nicht antasten zu wollen – bislang galt dies bis zum Ende des Sommers. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Institute mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

EZB sehr besorgt um Europas Konjunktur - Prognosen heruntergeschraubt

Die Ankündigung zeigt, wie besorgt die EZB über die aktuelle Konjunkturabschwächung im Euro-Raum ist. Die jüngsten Wirtschaftsdaten waren hinter den Erwartungen der Notenbank zurückgeblieben. Zudem trüben die Handelskonflikte der USA und der nahende Brexit die Wirtschaftsperspektiven ein. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte zuletzt befürchtet, Institute könnten ihre Kreditvergabe wegen der Wachstumsverlangsamung drosseln – was die Wirtschaft zusätzlich bremsen würde.

Die EZB geht in diesem Jahr von einem wesentlich schwächeren Wirtschaftswachstum aus. Wie EZB-Präsident Mario Draghi mitteilte, sei im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 1,1 Prozent zu rechnen. Bisher hatte die Schätzung 1,7 Prozent betragen. Für kommendes Jahr wurde die Wachstumsprognose nur leicht von 1,7 auf 1,6 Prozent gesenkt. Für 2021 rechnet die EZB mit einem Wachstum von unverändert 1,5 Prozent. Auch ihre Inflationserwartungen senkte die Notenbank deutlich. In diesem Jahr dürften die Verbraucherpreise demnach um 1,2 Prozent steigen. Bisher war eine Rate von 1,6 Prozent erwartet worden. Für kommendes Jahr wurde die Prognose von 1,7 auf 1,5 Prozent gesenkt. Im Jahr 2021 wird eine Inflationsrate von 1,6 anstatt bisher 1,8 Prozent erwartet.

Art und Weise des Kreditprogramms ein Alarmsignal

Die Bekanntgabe eines neuen Kreditprogramms für europäische Banken komme früher und ist deutlich expansiver als erwartet werden konnte, kommentierte DIW-Präsident Marcel Fratzscher die Beschlüsse. „Größe und Laufzeit dieses neuen Kreditprogramms signalisieren wohl auch die Sorge der EZB über die Abkühlung und die stark zunehmenden Risiken für die Wirtschaft der Eurozone.“ Die Vergabe bis März 2021 mit einer zweijährigen Laufzeit werde es den Banken deutlich erleichtern, ihre Kreditvergabe fortzusetzen und auszubauen.

Bereits mehrere Pakete dieser Art in der Vergangenheit

Eine erste Serie solcher Geldspritzen, die im Fachjargon „TLTRO“ genannt werden, hatte die Notenbank im Juni 2014 beschlossen, eine zweite dann im März 2016. Banken in Italien, Spanien und Frankreich griffen verstärkt zu: Auf italienische Geldhäuser entfielen zuletzt noch ausstehende Langfristkredite in Höhe von annähernd 240 Milliarden Euro. Sie waren jeweils so gestaltet, dass Institute Anreize erhalten, Darlehen an die Wirtschaft zu geben. Nach Berechnungen der spanischen Großbank BBVA steht für einen Großteil der Gelder die Rückzahlung im Juni 2020 an.

Geldspritzen sollen Bilanzlücken schließen

Mit den neuen Geldsalven dürften Banken auch eine regulatorische Hürde besser bewältigen. Denn wenn die Restlaufzeit bestehender Darlehen Mitte 2019 unter ein Jahr fällt, können Institute diese Gelder bereits nicht mehr zur Berechnung bestimmter Finanzpolster heranziehen. Bei Italiens Banken klafft Experten-Schätzungen zufolge deshalb ab Juni eine besonders große Lücke, da dann geschätzt rund 140 Milliarden Euro aus der Berechnung herausfallen. Günstige Anschlussfinanzierungen durch die EZB könnten daher von großem Interesse sein. EZB-Chefvolkswirt Praet hatte allerdings unlängst ausgeschlossen, dass eine Neuauflage der Geldspritzen gezielt auf einzelne Länder ausgerichtet werde.

EZB-Entscheidung gibt Aktienmärkten nur kurz Rückenwind

Dem deutschen Leitindex hat die Entscheidung der EZB am Nachmittag nur einen kurzen Schub gegeben. Nachdem der Dax den Tag über nicht mehr an die 11.600er Marke herankommen konnte, ist der Kurz nach der Verkündung für einen kurzen Zeitraum wieder über diese Marke geschossen, nur um dann schnell wieder stark an Boden zu verlieren.

Dax Tageschart

Beim Euro Stoxx 50, der großen europäischen Unternehmen hat sich ein ganz ähnliches Bild abgezeichnet.

Euro Stoxx 50 Tageschart

Auch der Euro hat sehr negativ auf die neuesten Nachrichten seines Geburtshauses reagiert: Gegen den Dollar ist er gut eine Stunde nach der Ankündigung um 0,7 Prozent eingeknickt.




(Onvista/dpa-AFX/Reuters)

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Titelfoto: nitpicker/Shutterstock.com

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