onvista-Börsenfuchs: Aktienanlage: „Ein bisschen Spaß muss sein“

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Hallo Leute! Mir tun die Börsenprofis leid, manchmal jedenfalls. Denn die müssen ihre eigene Leistung dauernd unter Beweis stellen: Die Kurse der betreuten Wertpapierbestände mit der Marktentwicklung vergleichen, außerdem ihre Performance an die Messlatten (Benchmarks) legen, dazu wie sie gegenüber den Konkurrenten dastehen – und was ihre Analysen und Prognosen taugen. Überhaupt eine klare Meinung ohne Wenn und Aber zu haben, erfordert in dieser voll bekloppten Zeit eine Menge Mut. Die Dinge verändern sich so schnell, dass man kaum nachkommt. Und die Preisbewegungen sind teilweise so irre, dass man sie nur unter Alkoholeinfluss vorhersagen kann (= Joke).

Hightech-Aktien sind das herausragende Beispiel. Gilt das heute Gesagte auch nächste Woche noch? Die Strategen des globalen Investmentmanagers Federated Hermes haben mir dazu folgendes geschrieben: Nach einer scharfen, wenn auch kurzen Rotation hin zu preiswerteren Aktien sind die Märkte wieder zu ihrem gewohnten Verhalten zurückgekehrt. Dies spiegelt sich in der Aktienkursentwicklung der Tech-Boliden wider sowie in einigen besonders starken Gewinnen im Bereich der Konsumgüter. Am bemerkenswertesten ist Tesla. Die Aktienkurs-Entwicklung glich förmlich einem SpaceX-Raketenstart, bei dem das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von 500 Milliarden Dollar erreichte. Dieser Wert entspricht in etwa der Größe der anderen großen Automobilkonzerne zusammengenommen. Die anhaltende Vorliebe für die Technologiegiganten hat auch zu einigen anderen erstaunlichen Statistiken geführt. Apple hat die Marke von 2 Billionen Dollar weit überschritten und ist nun zum Beispiel größer als der wichtigste britische Aktienindex FTSE 100. Dies wiederum hat dazu geführt, dass der Ami-Technologiesektor in seinem Wert den des gesamten europäischen Aktienmarkts übertroffen hat! Unglaublich. Inzwischen besitzt Zoom – ein großer Nutznießer des Lockdowns – bereits 75% der Größe von Cisco, obwohl Zoom lediglich 5% der Einnahmen generiert.

Derartige Höhenflüge sorgen für Volatilität. Denn die Anleger schwanken zwischen zyklischem Value und Growth sowie Stimmungsanalysen andererseits. Wie lange die Präferenz der Anleger schwanken wird, hängt nach wie vor weitgehend davon ab, ob es gelingt, das Virus unter Kontrolle zu bringen, etwa per Behandlungsmethode oder Impfstoff. Darin sind sich die meisten Strategen einig. Aber jetzt rückt die Ami-Wahl unaufhaltsam näher, nehmen außerdem die innen- und geopolitischen Spannungen zu – viel Stoff, der für Überraschungen sorgen könnte.

Das Research von M.M. Warburg wagt einen historischen Vergleich: „Goldene 20er Jahre – Wiederholt sich die Geschichte?“ Echt interessant, was dabei herausgekommen ist: Die Goldenen Zwanziger Jahre waren ein geradezu sagenumworbenes Jahrzehnt im letzten Jahrhundert, wobei genau genommen die guten Zeiten für Deutschland erst nach dem Ende der Hyperinflation 1923 und der

Einführung der Reichsmark im Sommer 1924 begannen. Der wirtschaftliche Aufschwung nach Ende des 1. Weltkriegs und der Spanischen Grippe, die beide zusammen viele Millionen Menschenleben kosteten, führte unter anderem zu einem langanhaltenden Börsenboom, der erst im Oktober 1929 mit einem gewaltigen Crash endete. Und heute? Stellt sich die Einschätzung als zutreffend heraus, dass die Geldpolitik der entscheidende Schlüssel für die zukünftige Kursentwicklung am Aktienmarkt ist, könnten die 2020er Jahre in der Retrospektive vielleicht ähnlich „golden“ werden, wie die 1920er Jahre heute von uns beurteilt werden – nur vielleicht in umgekehrter Reihenfolge. Was im 20. Jahrhundert aus deutscher Sicht mit einem Inflationsschock begann und mit einem Aktienmarktcrash endete, könnte im 21. Jahrhundert möglicherweise genau andersherum passieren. Die Börsenturbulenzen haben schon stattgefunden. Denkbar ist, dass wir bis Ende dieses Jahrzehnts die Quittung für eine nie zuvor dagewesene expansive Geldpolitik in Form hoher Inflationsraten bekommen.

Was immer Ihr glaubt und tut, meine Freunde: Vergesst nicht, welcher Hit die Stimmungskanone Roberto Blanco erfolgreich gemacht hat: „Ein bisschen Spaß muss sein.“ Ich vermisse bei den vielen Kaufen-Halten-Verkaufen-Empfehlungen die Mengenhinweise (gibt’s nie). Denn wenn man unsicher ist, aber trotzdem nicht nur zugucken möchte, kann man ja meinem „Bisschen-Ansatz“ folgen – also nur einen Teil der verfügbaren Kohle einsetzen bzw. in kleineren Schritten dem Markt folgen.

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