Analyse: Gold liegt vergessen in der Konsolidierungsphase – Was für und was gegen ein baldiges Erwachen des Edelmetalls spricht

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Die neue Omikron-Variante, eine abkühlende Weltwirtschaft, Angst vor neuen Lockdowns – die Sorgen-Liste an den Märkten ist derzeit wieder lang. Entsprechend negativ haben die Aktienmärkte auch Ende der Woche reagiert, als der Ausbruch der neuen Corona-Variante in Südafrika bekannt geworden ist.

Zeiten, in denen Anleger eigentlich vermehrt in sichere Häfen flüchten. Bisher sieht man dies jedoch vor allem beim US-Dollar, der seit Ende Oktober wieder deutlich stärker nachgefragt wird. Der USDX, der Index, der den Dollar mit einigen der größten anderen Währungen von Industriestaaten wie dem Euro oder dem britischen Pfund vergleicht, konnte auf Monatssicht wieder deutliche Zuwächse verzeichnen und notiert mit 96 Pkt. auf einem Hoch wie zuletzt im Sommer 2020 gesehen. Dass lässt darauf schließen, dass Anleger zwar auf eine deutlichere Korrektur an den Märkten spekulieren könnten, sich jedoch entsprechend positionieren, um größere Rabatte an den Aktienmärkten schnell aufkaufen zu können.

Gold hingegen, ein historisch sicherer Hafen, konnte seit den Anfängen der Corona-Krise, in der das Edelmetall auf ein neues Rekordhoch bei über 2000 Dollar je Feinunze klettern konnte, sein Momentum nicht mehr fortsetzen und befindet sich seit über einem Jahr in einer übergeordneten Konsolidierungsphase – und das trotz der zunehmend aus dem Ruder laufenden Inflationsentwicklung.

Dabei sieht das langfristige Chartbild nicht allzu trüb aus. Jüngst konnte der Goldkurs einen ersten Ausbruchsversuch aus der übergeordneten charttechnischen Konsolidierung versuchen, der jüngste Abverkauf an den Märkten hat jedoch auch Gold wieder mit in die Tiefe gerissen und den Ausbruchsversuch abgewürgt. Der Kurs konnte sich jedoch seinen 200-Tage-Trend als Unterstützungszone bestätigen.

Warum kann Gold derzeit nicht profitieren?

Eigentlich könnte man die derzeitige unsichere Marktlage als Musterbeispiel für einen Kaufgrund für Gold beschreiben – ganz so einfach ist es jedoch nicht, den die Spielregeln an den Finanzmärkten haben sich bekanntlich geändert.

Auch wenn die Federal Reserve ihr Tapering gestartet und für das nächste Jahr bereits Zinserhöhungen angekündigt hat – das letzte Wort, ob das auch wirklich passiert, ist trotzdem noch nicht gesprochen und bisher wurden die monatlichen Käufe nur geringfügig verringert. Die EZB hält sich zudem noch komplett vom Bremspedal fern. Die Geldflut der Notenbanken geht also vorerst weiter. Unter der Annahme, dass die Aktienmärkte mittelfristig weiterhin von Rekord zu Rekord eilen, auch wenn es zwischenzeitig zu einer deutlicheren Korrektur kommen sollte, wirkt Gold mit seinen im Vergleich geringeren Renditen wenig attraktiv.

Ein weiterer Grund liegt in den derzeitigen Trends am Markt. Gold ist nicht sexy, weder für die vielen jüngeren Investoren, die im Zuge der Corona-Pandemie neu an den Markt geströmt sind, noch für viele der alteingesessenen Investoren, sowohl die privaten als auch die institutionellen Spieler. Für viele ist Technologie das Gold unserer Zeit und die Lösungen für die Sicherung von Wert werden eher in der neuen Technologie und in der digitalen Welt gesucht als in dem Oldschool Edelmetall.

Vor allem Bitcoin hat Gold seit Sommer 2020 wieder zunehmend die Show gestohlen, am Markt wird das Argument für Bitcoin als alternativer, digitaler Geldspeicher mittlerweile oft genannt. Bitcoin besticht auf langfristiger Ebene zwar weniger mit Wertstabilität als viel mehr mit extremer Wertsteigerung, doch das macht das Asset gerade für die jüngere Generation, die zunehmender Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt und auch in Bezug auf die generellen gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenblickt, umso attraktiver.

Was trotzdem für Gold spricht

Der Elefant im Raum, der viele Anleger doch noch in das altbewährte Edelmetall treiben könnte, ist die Inflationsentwicklung. Die ungebremste Geldflut und damit einhergehende Entwertung des Geldes durch die Notenbanken bereitet den Nährboden dafür, dass die Inflation doch noch ein langfristiges Problem werden könnte. Die Corona-Krise will einfach nicht enden, immer neue Varianten, eine in vielen Ländern zu geringe Impfquote, die nicht nur von medizinischer Skepsis herrührt, sondern auch von einem Vertrauensverlust in den Staat, der sich vor allem aber nicht nur in sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen bereits seit vielen Jahren abzeichnet, schränken den Spielraum der Notenbanken zunehmend ein. Es bleibt eine offene Frage, ob ein deutliches Tapering und eine Anhebung der Zinsen in absehbarer Zeit überhaupt möglich sein wird.

Die Notenbanken kommunizieren öffentlich zwar immer noch mit Nachdruck, dass die Inflationsentwicklung eine temporäre bleiben wird und man sich mittelfristig wieder den ausgegebenen Zielen von 2 Prozent annähert – die Zweifel, ob das eingehalten werden kann, wachsen jedoch. Sobald in der öffentlichen Diskussion die Problematik einer bleibenden, stark erhöhten Inflation anerkannt wird, dürfte auch Gold wieder aus seinem Schlaf erwachen und viel Kapital anlocken, das sicher verwahrt werden will, auch wenn Bitcoin mittlerweile – trotz aller Skepsis und Zweifel – eine wirkliche Konkurrenz zu Gold in all seinen Eigenschaften geworden ist und viele Investoren mit dem neuen, digitalen Gold vorliebnehmen könnten. Gold wird mit seiner jahrtausendelangen Erfolgsbilanz jedoch immer einen Platz als Wertspeicher finden.

Von Alexander Mayer

Titelfoto: Pixfiction / Shutterstock.com

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