onvista-Börsenfuchs: Wie Krieg, Konjunktur und Kurse zusammenhängen

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Hallo Leute! Ich versuch‘ erst gar nicht, den Tagesverlauf von Dax & Co. zu erklären. Zu oft wechseln Käufer und Verkäufer die Seite, zu viele Einflüsse und Motive spielen eine Rolle. Vor allem wissen wir nicht, wann was wie auf das Verhalten der Börsianer wirkt. Also: Vergesst am besten die Intra-Day-Zuckungen und guckt mehr auf die Trends und ihre Hintergründe, meine Freunde! Dabei spielen Prognosen und andere Signale eine Rolle – zu dumm nur, dass es für die Marktreaktion auf entsprechende Veröffentlichungen keine festen Regeln gibt.

So hatte ich heute mit deutlich schwächeren Kursen auf den voll frustrierenden Ifo-Index gerechnet – es blieb bei einer kurzen Zuckung. Denn die monatliche Geschäftsklima-Umfrage des Münchner Instituts gilt als der meistbeachtete Frühindikator für unsere Wirtschaft. Er basiert auf ca. 9.000 Meldungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Dienstleistungssektors, des Handels und des Bauhauptgewerbes. Aktuelles Ergebnis: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist eingebrochen. Denn der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im März von 98,5 auf nur noch 90,8 Punkte abgestürzt. Grund ist ein „historischer Einbruch“ der Erwartungen um 13,3 Punkte, der den Rückgang bei Ausbruch der Coronakrise im März 2020 (11,8 Punkte) noch übertrifft. Die Firmen schätzen auch ihre aktuelle Lage schlechter ein. Die Unternehmen in Deutschland rechnen demzufolge mit harten Zeiten.

Die Stimmungseintrübung kommt angesichts der Kriegsfolgen nicht überraschend und hatte sich mit anderen schwächeren Umfragen der vergangenen Wochen bereits angekündigt. Zeitpunkt und Ausmaß, vor allem des Rückgangs der Erwartungen, sind dennoch ungünstig, hatte sich das wichtige Stimmungsbarometer doch erst in den letzten Monaten von der Abwärtsbewegung seit Sommer 2021 lösen können. Außerdem kommt es meist darauf an, ob und wie sich die tatsächlichen Indikatoren mit der vorangehenden Erwartungshaltung der Börsenprofis vergleichen. Auch hier eine Enttäuschung: Von Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten für den Ifo „nur“ mit einem Rückgang auf 94,2 gerechnet.

Keine Überraschung sind spontane Reaktionen von Frankfurter Finanzinstituten unter Hinweis auf den Ukraine-Krieg. Da dieser unvermindert weiterläuft und das politische Säbelrasseln vor allem durch die russische Führung nicht aufhört, bewerten die befragten Unternehmen sowohl die aktuelle Lage als auch die kommenden sechs Monate deutlich pessimistischer als zuletzt. Die wegen des Kriegs verhängten Sanktionen und die immer weiter anziehenden Energiepreise haben die Hoffnung auf eine baldige Konjunkturerholung zunichte gemacht. Auch die nicht enden wollende Lieferkettenproblematik sorgt für negative Stimmung – insbesondere der Autoindustrie fehlen wichtige Bauteile. „Deutschlands Wirtschaft steuert auf unruhige Zeiten zu“, warnt die DZ Bank.

Und trotzdem ist es schon im Verlauf des Vormittags mit dem Dax deutlich aufwärts gegangen. Möglicherweise haben die vereinten Stärkedemonstrationen der westlichen Nationen auf den laufenden Gipfeltreffen den an den Börsen traditionell gepflegten Optimismus gestärkt und zugleich die Sorgen wegen der Gefahr eines russischen Einsatzes von Chemie- oder gar Atomwaffen verdrängt. Ich setze jedenfalls auf die Einsicht aller, dass die Welt den Krieg in Europa nicht verträgt. Sollte die Diplomatie siegen, würde nicht nur die europäische Wirtschaft rasch (!) einen dynamischen Aufschwung erleben. Dann könnte man sich über andere Explosionen freuen – einen Ausbruch der Aktienkurse nach oben.

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