ProSieben hält nichts von Konsolidierung - "Wir schaffen es alleine"

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DEUTSCHLAND-PROSIEBENSAT-1:ProSieben hält nichts von Konsolidierung - "Wir schaffen es alleine"

Berlin (Reuters) - ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean hält den Fernsehkonzern stark genug für eine Zukunft auf eigenen Füßen und zeigt damit seinem italienischen Großaktionär MFE und dem deutschen Rivalen RTL erneut die kalte Schulter.

"Wir schaffen es alleine", sagte Beaujean am Donnerstag auf der virtuellen Hauptversammlung. "Wenn jemand mit einer Idee kommt und kann uns vorführen, dass wir zusammen stärker wären, dann hören wir uns das an." Man wisse sehr gut, "dass länderübergreifende Plattformen funktionieren können – aber eben selten im Mediengeschäft". ProSieben setzte stärker auf lokale Inhalte. Konsolidierung sei eher falsch, "da es keine relevanten länderübergreifenden Synergien gibt". Derweil wurde der Aufsichtsrat für 2021 entlastet - trotz der Ankündigung von MFE, dagegen zustimmen.

Die vom ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi dominierte Fernsehholding MFE-Mediaforeurope hat ihren Anteil an ProSiebenSat.1 zuletzt stetig erhöht. Sie hält nach eigenen Angaben derzeit mehr als 25 Prozent und dringt auf eine engere Zusammenarbeit. In der Branche wird darüber spekuliert, ob die Italiener die Bayern letztlich schlucken könnten. MFE-Finanzchef Marco Giordani hatte im März dazu gesagt, man habe zwar derzeit keine Pläne, ProSiebenSat.1 zu übernehmen. "Was in einem Jahr ist, wird man dann sehen", schob er aber in einem Interview hinterher.

Beaujean betonte, das MFE-Management habe ProSiebenSat.1 bisher nicht mitgeteilt, welche strategischen Ziele mit der Beteiligung verbunden seien. "Demzufolge liegen uns auch keinerlei Informationen vor, ob und wie eine angestrebte Übernahme aussehen könnte." Beaujean bekräftigte auch, dass ein Zusammengehen von ProSiebenSat.1 mit der Bertelsmann-Tochter RTL nicht sinnvoll sei. Denn ProSieben sei voll auf Bewegtbilder fokussiert. Zudem sei eine mögliche Fusion aus medienkonzentrationsrechtlicher und kartellrechtlicher Sicht jeweils ausgeschlossen. Es tue Deutschland gut, wenn im Sinne der Meinungsvielfalt zwei private Fernsehkonzerne im Wettbewerb stünden. Zudem sehe er ProSieben als "absolut unabhängiges Unternehmen", dass aus sich heraus wachse, erläuterte Beaujean.

Die Aktionäre entlasteten für das Geschäftsjahr 2021 den Vorstand deutlich, den Aufsichtrat aber nur knapp mit rund 52 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Hierüber hatte es vorher Streit gegeben. Denn MFE hatte auf transparente Unternehmensführung gepocht und beantragt, über die Entlastung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern jeweils individuell und nicht pauschal abstimmen zu lassen. Dies wiederum wies ProSieben zurück und verwies auf "gängige Marktpraxis" bei Dax- und MDax-Firmen. Daraufhin kündigte MFE an, den Vorstand pauschal zu entlasten, nicht aber das Kontrollgremium.

Vor der Hauptversammlung gab es bei Aktionären die Sorge, MFE, früher als Mediaset bekannt, könnte bei geringer Präsenz das gesamte Abstimmungsverhalten beeinflussen. MFE unterstützte die Wahl von Andreas Wiele in den Aufsichtsrat, wollte sich bei zwei anderen Kandidaten aber enthalten. Der Ex-Springer-Manager soll den Vorsitz im Kontrollgremium übernehmen und noch im Laufe des Tages zum Nachfolger des langjährigen AR-Chefs Werner Brandt gewählt werden. Beaujean signalisierte, dass MFE keine Stimmenmehrheit habe. Brandt sagte, die Präsenz - samt Briefwahl - entspreche gut 52 Prozent des Grundkapitals. In den Aufsichtsrat neu gewählt wurde der ehemalige RTL-Chef Bert Habets, das Mandat von Rolf Nonnenmacher wurde verlängert.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hatte an die Anteilseigner appelliert, den ProSieben-Kurs zu unterstützen. Es dürfe nicht sein, dass ein Großaktionär wie MFE Zünglein an der Waage sei und mit seiner Ausrichtung auf Europa "eine Richtung auslöse, die das Unternehmen im Moment nicht braucht", mahnte DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt.

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