Kutzers Zwischenruf: Europa – ein „Meer von unterbewerteten Aktien“

Hermann Kutzer · Uhr
Quelle: Vintage Tone/Shutterstock.com

Trendwende, Optimismus, Hochstimmung? Davon sind wir weit entfernt. Im Gegenteil, gerade von Europas Wirtschaft und Börsen wird wenig erwartet. Vor allem der geopolitische Brennpunkt Ukraine schreckt ab. Dazu kommen die Folgen im Energiesektor, die zusammen mit dem innenpolitischen Hickhack in wichtigen Ländern des Euroraums auch auf die Finanzmärkte negativ ausstrahlen. Und umso weiter ragt eine neue Studie mit dem spektakulären Titel „Europa ist ein Meer von unterbewerteten Aktien“ heraus. Im Folgenden die wichtigsten Auszüge.

Ich teile den Blickwinkel von Morningstar, dem unabhängigen Analyse- und Ratingunternehmen: Das Vertrauen der Anleger ist auf einen Tiefstand gesunken, den es seit Beginn der Coronavirus-Pandemie nicht mehr gegeben hat. Dies ist angesichts der zahlreichen Risiken nicht überraschend. Hohe Inflation, steigende Zinssätze und eine Eskalation des Krieges in der Ukraine erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Europa. Im Jahr 2022 sind die europäischen Aktienmärkte in jedem Quartal gefallen und haben seit Januar mehr als 20% verloren. In einem solchen Marktumfeld neigen die Anleger dazu, auf Qualitätsaktien mit einem wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil („Economic Moat“) zurückzugreifen. Mit Blick auf Ende 2022 ist Morningstar-Aktienmarktstratege Michael Field der Meinung, dass sich der Markt zu sehr auf die kurzfristige Entwicklung konzentriert und das langfristige Potenzial der Aktien übersieht.

Die Inflation liegt in den europäischen Ländern bei etwa 10% und wird voraussichtlich auch den Rest des Winters über hoch bleiben. Daher ist die Absicherung ein wichtiges Thema für Anleger. In ihrem ständigen Bemühen, die Inflation auf etwa 2% zu senken, können wir davon ausgehen, dass die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben werden. Die Anleger müssen nun nach Unternehmen suchen, die mit der Inflation zurechtkommen. Die Aktienanalysten von Morningstar finden in jedem Sektor Unternehmen, die in der Lage sind, ihre steigenden Kosten weiterzugeben und ihre Rentabilität zu sichern. Diese Aktien bieten Aufwärtspotenzial, selbst bei ihren aktuellen Bewertungen. Bei den aktuellen Bewertungen bieten alle acht von Morningstar abgedeckten Sektoren ein Aufwärtspotenzial in Bezug auf die Fair Value-Schätzungen, wobei 75% der abgedeckten Sektoren im 4- und 5-Sterne-Bereich liegen. Das ist ein ganz anderes Bild als im letzten Jahr, als die Hälfte der von Morningstar erfassten europäischen Aktien fair bewertet und 30% überbewertet waren.

Chancen bieten sich der Studie zufolge vor allem im zyklischen Konsumsektor, wo 80% der Titel mit 4 Sternen und 60% mit 5 Sternen bewertet sind. Im Bereich E-Commerce sind Bekleidungsaktien wie Zalando (ZAL) und Inditex (ITX) unterbewertet. Im Bereich der Nahrungsmittel-Lieferdienste hat die Pandemie den Unternehmen geholfen, neue Kunden zu gewinnen. Doch in diesem Jahr haben steigende Zinsen, Inflation und bärische Kapitalmärkte für verschuldete Unternehmen die Aktienkurse unter Druck gesetzt. Anleger müssen selektiv vorgehen und auf solide Bilanzen, einen klaren Weg zur Rentabilität und robuste Marktpositionen als Marktführer oder Zweitplatzierter achten. Morningstars Top-Pick in diesem Sektor ist Just Eat Takeaway, das ein 5-Sterne-Rating aufweist. In diesem Jahr gab es auch eine deutliche Verschiebung von zyklischen zu defensiven Titeln. Angesichts der zunehmenden Unsicherheit sind die Anleger in Scharen zu defensiven Verbrauchertiteln und Versorgern geströmt. Versorger gelten als gute Absicherung gegen eine hohe Inflation, insbesondere bei den derzeit in die Höhe schießenden Energiepreisen. Der Sektor erlitt in diesem Jahr geringere Verluste als der breite europäische Aktienmarkt und enthält attraktive Dividendenwerte. Der aktuelle Median der nachlaufenden Dividendenrendite liegt bei 4,7% und damit im Einklang mit dem historischen Durchschnitt. Die besten Werte unter den Versorgern sind Centrica (CENB), Engie und RWE (RWE).

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