Mal ehrlich: Schafft den TecDax doch einfach ab
Maximilian Nagel
In den USA ist der Nasdaq 100 der Index für heiße Tech-Aktien. Das sollte der TecDax eigentlich für Deutschland sein. In Wahrheit bietet der Index aber nichts, was Dax und MDax nicht auch können.

Interessiert eigentlich irgendjemanden der Dow Jones? Der US-Leitindex hat zwar eine 140-jährige Tradition, folgt jedoch einer längst überholten Preisgewichtung – einzelne Aktien darin tragen also mehr zum Index-Gewicht bei, wenn der Preis je Aktie besonders hoch ist. Wenn’s um die Laune des Markts geht, wird eher der deutlich breitere S&P 500 als „echter“ Leitindex des größten Aktienmarkts der Welt bevorzugt.
Wer sich dagegen für elektrisierende Unternehmen und dramatische Kursgewinne und -verluste interessiert, blicket auf den Nasdaq 100. Hier versammeln sich die Lieblinge der Anleger aus dem Tech-Bereich, allen voran die „Magnificent Seven“. Im Dow fehlen mit Alphabet, Meta und Tesla drei dieser Aktien.
Der TecDax in Deutschland dagegen findet kaum Beachtung. Komisch, dabei sollte der Index doch eine Art deutsches Pendant zum Nasdaq sein. Um aber ehrlich zu sein – man könnte den TecDax auch einfach abschaffen. Einen Mehrwert bietet der Index, anders als der Nasdaq 100, nämlich nicht.
Zum Beispiel ist der Index gar keine echte Alternative, wenn man die größten deutschen Tech-Aktien besitzen möchte – da tut’s auch der Dax.
SAP beispielsweise. Oder Infineon. Sogar die Deutsche Telekom. Im TecDax ist eine Handvoll an Aktien aus der ersten Börsenliga vertreten. Wer lieber mittelgroße, volatilere Werte bevorzugt, kann dagegen zum MDax greifen. Denn aus diesem Index finden sich im TecDax unter anderem Aixtron, Evotec, Hensoldt, Nemetschek und United Internet wieder.
Die Liste gemeinsamer Werte ist dabei nicht einmal vollständig. Der Punkt ist: Der TecDax bietet keine exklusive Auswahl an Tech-Werten, sondern doppelt sich an vielen Stellen mit Dax, MDax und SDax. Ohnehin ist so gut wie jeder Konzern heute „Tech“ in der ein oder anderen Form – auch bei Volkswagen wird programmiert, und bei Deutschlands größtem Versicherer kommt „AllianzGPT“ zum Einsatz (wirklich!).
Der TecDax kriegt die Stiefmutter-Behandlung
„Tech“ ist also kein so großes Alleinstellungsmerkmal mehr, was die Dopplungen in den Indizes nochmal verstärkt. Hintergrund ist hier übrigens, dass die Deutsche Börse 2018 die Trennung zwischen „klassischen“ Werten und Tech-Aktien aufhob und sich die Indizes so durchmischten.
Gleichzeitig streckte der Börsenbetreiber die Indizes damals. Der MDax vergrößerte sich von 50 auf 60 Werte, der Kleinwerte-Index SDax schwoll sogar von 50 auf 70 Aktien an. 2021 folgte dann der Dax, der um zehn auf 40 Aktien wuchs.
„Mit der Erhöhung des MDax auf 60 Werte und des SDax auf 70 Werte werden sowohl die Repräsentativität der Indizes sowie weiterhin die hohe Liquidität und Handelbarkeit sichergestellt“, schrieb die Deutsche Börse damals.
Zum TecDax hingegen sagte die Deutsche Börse damals nur, dass er ganz einfach bei 30 Mitgliedern bleibe. Eine etwas stiefmütterliche Behandlung.
Die gleichbleibende Größe wiederum ist ein Argument gegen den Index. Wozu noch den „kleinen“ TecDax kaufen, wenn Dax und MDax einen größeren Teil des Marktes abbilden, damit stärker diversifiziert sind und ebenso genügend Tech-Werte enthalten? Wer den Nervenkitzel sucht, kann dann auch gleich Einzelwerte ins Depot holen, statt die magere Auswahl im TecDax.
Tech bringt mehr Rendite? Nicht in den letzten Jahren
Und: So wirklich prickelnd ist die Entwicklung im TecDax nicht mehr. Im ganz, ganz langfristigen Bild sieht TecDax die Nase zwar noch gut aus. 970 Prozent hat der Index seit der Einführung im März 2003 hinzugewonnen. Der MDax jedoch liegt mit 991 Prozent Plus vorne. Der Leitindex Dax hat Anlegern „nur“ 826 Prozent Plus beschert.
Aber: In den vergangenen fünf Jahren sind die „Blue Chips“ im Dax den kleineren Indizes davongeeilt. Mit einem Plus von rund 90 Prozent hat der Dax sowohl den MDax (plus 13 Prozent) als auch den TecDax (plus 21 Prozent) regelrecht pulverisiert. Auf Sicht von zwölf Monaten gelang es den Tech-Aktien nicht einmal mehr, die Mittelstandswerte im MDax zu schlagen.
Hier könnte man jetzt den Einwand einwerfen, dass es den Index doch noch für ETFs braucht. Je mehr Auswahl bei den Zusammenstellungen der Indexfonds, desto besser, oder? Tatsächlich ist das Angebot überschaubar. Gerade mal drei TecDax-ETFs gibt es. Kombiniertes Volumen der Fonds: 784 Millionen Euro.
Klar, das ist nicht nichts. Zusammen kommen diese drei ETFs trotzdem nur knapp auf ein Drittel des Kapitals im iShares-MDax-ETF. In den Dax-ETFs wiederum sind nochmal ein paar Milliarden mehr investiert.
Es wäre kein großer Verlust, wenn wir dem TecDax Lebwohl sagen. Statt eines endgültigen Abschieds könnte die Deutsche Börse alternativ überlegen, wie der Index seinem Namen wieder gerechter wird – mit weniger Dopplungen zu Dax und MDax und mehr Indexmitgliedern. Aber dafür ist der deutsche Aktienmarkt vielleicht auch einfach nicht mehr „Tec(h)“ genug.