Hohe Bewertungen beim S&P 500

Unter diesen Umständen fallen die Börsen – auch ohne Rezession

onvista · Uhr

Rezessionen und Bärenmärkte folgen meist dicht aufeinander. Doch auch ohne wirtschaftliche Talfahrt können Börsen einbrechen. Die gute Nachricht: Laut einer aktuellen Studie fehlen dazu aktuell die nötigen Faktoren.

Quelle: Pla2na/Shutterstock.com

Aktien werden immer teurer, und zwar nicht preislich, sondern auch in der Bewertung. Nvidia, aktueller Darling der Anleger, weist für die vergangenen zwölf Monate ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 55 auf. Auch Apple und Microsoft sind mit Multiples von fast 40 respektive 35 nicht mehr billig. Auch nicht mehr nach den zeitgenössischen Bewertungsmaßstäben für Tech-Aktien.

Der Gesamtmarkt indes – gemessen am S&P 500 – weist mit fast 28 Punkten ebenfalls ein erhöhtes Bewertungsniveau auf. Nach zudem zwei hervorragenden Börsenjahren wächst bei so manchem Anleger die Skepsis, ob sich das Rekordniveau noch ausbauen, geschweige denn halten lässt.

Ungewöhnlich sind mehrere Gewinnjahre hintereinander, auch bei derartigen Zuwächsen, nicht. Das zeigt die Börsenhistorie. Zudem gibt es in den USA keine Anzeichen für das eine große Ereignis, welches mit einem Bärenmarkt Hand in Hand geht: eine Rezession.

Die Deutsche Bank hat nun in einer neuen Studie erörtert, unter welchen Umständen die Märkte fallen können, ohne eine (drohende) Rezession als Auslöser zu haben. „Angesichts immer höherer Aktienbewertungen stellt sich häufiger die Frage, wie lange das alles noch andauern kann. Immerhin hat der S&P 500 erstmals seit den 1990ern in zwei Jahren hintereinander mehr als 20 Prozent hinzugewonnen“, erklärt Makro-Stratege Henry Allen.

Zwei Faktoren bringen Kursverluste, auch ohne Rezession

Historisch seien Rezessionen immer die Treiber signifikanter Kursverluste gewesen. Doch derzeit gebe es keine Anzeichen dafür. „Vielmehr sehen diverse elementare Wirtschaftsindikatoren immer besser aus“, so Allen, bezogen auf die US-Konjunktur.

Dennoch habe es auch immer wieder deutliche Kursrückgänge ohne Rezession gegeben, wenn auch „ziemlich unregelmäßig“, so der Stratege. Zwei Faktoren spielten dabei stets eine Rolle: Die Anleger preisten (vorzeitig) angesichts eines langsameren Wachstums eine Rezession ein und zweitens hob die US-Zentralbank vor dem Kurssturz die Zinsen an.

Allen zählt dabei einige historische Perioden ein, in denen genau diese Faktoren erhebliche Kursrückgänge verursachten.

2022 – 25,4 Prozent Minus

2022 rutschten praktisch alle Asset-Klassen aufgrund der hohen Inflation und der aggressiven Zinsanhebungen der Fed in einen Abverkauf. Auch das Wachstum verlangsamte sich signifikant – wenngleich die befürchtete Rezession letztlich ausblieb.

„Letztlich ist diese Episode ein gutes Beispiel dafür, wie Aktien aus Furcht vor einer Rezession abverkauft werden, anstatt des tatsächlichen Vorkommens derselben“, erklärt Allen. Die zügige Erholung der Märkte ab Jahresende spiegle auch die typische Erfahrung der Perioden direkt nach einer Rezession wieder. Dennoch verlor der S&P 500 von der Spitze bis ins Tal 25,4 Prozent, am Ende blieb ein Jahresminus von 19,4 Prozent.

2018 – 19,8 Prozent Minus

Einige Jahre zuvor führten bedenkliche Signale aus der Wirtschaft ebenfalls zu einem Abverkauf. Tatsächlich zeigte sich später, dass die US-Wirtschaft nur noch mit annualisiert 0,6 Prozent im Schlussquartal 2018 gewachsen war. Darüber hinaus erhöhte die Fed die Zinsen in diesem Jahr um satte 100 Basispunkte, so stark wie seit 2006 nicht mehr.

Die striktere Geldpolitik, gepaart mit dem blutarmen Wirtschaftswachstum, resultierte damals in einem Rücksetzer von 19,8 Prozent im S&P 500 und einem Jahresminus von 6,2 Prozent, obwohl letztlich keine Rezession kam. Nur Monate später, Anfang 2019, wechselte die Fed zu einem Lockerungskurs in der Geldpolitik, was Wirtschaft und Märkte wieder nach oben trieb.

2015-2016 – 18,3 Prozent Minus

Mitte der 2010er-Jahre lasteten schwache Börsen in China sowie die ersten Zinsanhebungen der Fed nach der Großen Finanzkrise auf den Märkten. Damals signalisierten die Zinshüter Anhebungen von 100 Basispunkten sowohl für 2016 als auch 2017 – eine scharfe Abkehr vom Nullzinsregime seit 2008.

Das Resultat: Einer der größten Abverkäufe ohne Rezession in den sonst so hervorragenden 2010er-Jahren. Von der Spitze aus verlor der S&P 500 18,3 Prozent. Dennoch blieb am Ende nur ein marginales Jahresminus von weniger als einem Prozent. 2016 und 2017 stieg der S&P 500 wieder deutlich.

1998 - 19,3 Prozent Minus

Die Rally inmitten der Dotcom-Manie in den 1990ern bleibt bis heute einzigartig. In fünf aufeinanderfolgenden Jahren gewann der S&P 500 20 oder mehr Prozent hinzu. Doch 1998 kam es zu einem kleinen „Schluckauf“, so Stratege Allen von der Deutschen Bank.

In nur wenigen Wochen im Sommer 1998 verlor der S&P 500 19,3 Prozent, ausgelöst durch die Finanzkrise in Russland. Ebenso rapide erholten sich die Märkte von diesem kleinen, exogenen Schock aber wieder. Am Ende blieb ein Jahresplus von 26,7 Prozent.

1987 - 33,5 Prozent Minus

Das letzte Beispiel für einen Abverkauf ohne Rezession stammt aus dem berüchtigten Jahr 1987. Der „Schwarze Montag“ führte zum bislang größten Tagesverlust beim US-Leitindex Dow Jones, vernichtete global 1,17 Billionen Dollar an Wert und schürte Ängste vor einer neuen „Großen Depression“.

Dadurch verlor der S&P 500 gut ein Drittel seines Werts. Dem war jedoch auch ein Zuwachs von satten 39 Prozent seit Jahresbeginn vorangegangen. Einer der ausschlaggebenden Faktoren für diesen Crash dürfte neben diesem rapiden Wertzuwachs auch eine striktere US-Geldpolitik gewesen sein.

Nichtsdestotrotz erholte sich der Markt rasch, sodass der S&P 500 am Ende sogar ein kleines Jahresplus verbuchte, auf welches zwei weitere gewinnreiche Jahre folgten.

Anleger dürfen beruhigt bleiben - trotz hoher Bewertungen

Über diese Beispiele hinweg, schreibt Allen, werden zwei gemeinsame Faktoren klar. „Erstens verlangsamt sich das Konjunkturwachstum oft rapide, was zu Ängsten vor einer Rezession führt. Die zweite Gemeinsamkeit liegt in den Zinsanhebungen der Fed. Wenig überraschend, denn eine striktere Geldpolitik trägt mit Verzögerung ebenso zu einem schwächeren Kurzfrist-Wachstum bei.“

Umgekehrt heißt das: Solange das Wachstum stark bleibt und die US-Notenbank nicht plötzlich mit Zinsanhebungen beginnt, erscheint es „nicht unplausibel, dass die erhöhten Bewertungen noch eine Weile anhalten können“, so Allen. Anhand der Historie zeige sich aber auch, dass eine Rezession nicht nötig ist, damit es zu einem deutlichen Kurssturz kommt.

Die gute Nachricht dabei: Der sogenannte Dot Plot der Fed verrät, dass die Zinshüter in den USA mehrheitlich erwarten, dass die Leitzinsen in diesem Jahr um 25 bis 50 Basispunkte auf 4,0 Prozent sinken werden, und nochmal auf ein Niveau von etwa 3,5 Prozent im Jahr 2026. 

Auch die jüngsten Lesungen zum US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) deuten keineswegs auf ein schwächelndes Wachstum hin. Der Echtzeit-BIP-Indikator der Fed in Atlanta stieg zuletzt sogar wieder etwas. Insofern bleibt ein heftiger Abverkauf bei US-Aktien eher ein Randszenario für die kommenden Monate.

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