Was Nachhaltigkeit beim Investieren wirklich bringt
Maximilian Nagel
Der Hype um ESG-Investments scheint vorbei. Doch die Fonds sammeln weiter Gelder ein. Und gute Gründe sprechen dafür, dass Anleger die Nachhaltigkeit von Unternehmen weiter im Blick behalten.

Vor einigen Jahren waren sogenannte ESG-Investments (für "Environmental, Social, Governance") ein richtig heißes Thema am Markt – ESG-Fonds wurden mit Kundengeldern überschwemmt, grünen Investments wurden glänzende Jahrzehnte in Aussicht gestellt.
Heute ist die Welt der Börse eine andere. Öl-Aktien sind wieder en vogue, Rüstungshersteller aufgrund der geopolitischen Lage gefragt. Spricht das gegen ESG-Investments?
Noch immer fließen Milliarden in ESG-Investments
Fakt ist: Die Fonds ziehen noch immer Gelder an, wie eine Morningstar-Auswertung zeigt. Im dritten Quartal 2024 flossen global 10,4 Milliarden US-Dollar in ESG-Fonds und -ETFs – über vier Milliarden mehr als im Vorquartal. In Europa steckten Investoren sogar mehr Gelder in nachhaltige Anleihefonds als in herkömmliche Anleihefonds.
ESG steht für "Environmental, Social und Governance", übersetzt "Umwelt, Soziales und Unternehmensführung". Anhand dieser Schwerpunkte werden Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen bewertet - also beispielsweise, ob der Betrieb erneuerbare Energien nutzt, sich für gesellschaftliche Gerechtigkeit oder Inklusion bei seinen Mitarbeitern einsetzt.
Zwar sei das Wachstum der Fonds damit nicht so stark wie der gesamte Fondsmarkt. Das ist, angesichts des starken Börsenjahrs 2024, aber wenig verwunderlich. Was die Daten beweisen: Auch wenn der Trend medial kaum Beachtung findet, sind Anleger weiter interessiert.
ESG-Investments: Resilienter und rentabler
Doch lohnt sich das auch? Studien und Analysen sind sich uneins, ob ESG-Investments Renditevorteile bieten. Laut Morgan Stanley entwickelten sich nachhaltige Fonds im ersten Halbjahr 2024 mit 1,7 Prozent im Median besser als traditionelle Fonds, und schwankten zudem weniger stark. In den USA legten nachhaltige Fonds mit im Median 8,8 Prozent sogar doppelt so stark zu wie die traditionelle Konkurrenz.
Analysten der Europäischen Zentralbank (EZB) wiederum fanden 2022 heraus, dass derartige Fonds in schwierigen Marktphasen „resilienter“ sind. Konkret bedeutet das, dass Investoren in ESG-Fonds weniger durch negative Wertentwicklung beeinflusst sind, und dementsprechend auch in Schwächephasen seltener verkaufen.
Zuletzt fand Meta-Studie der Stern School of Business der Universität New York von mehr als 1.000 Studien heraus, dass die Mehrheit der Studien (rund 60 Prozent) eine positive Verbindung zwischen ESG-Kriterien und finanziellem Erfolg der Firmen und deren Aktien sahen.


„Unsere Analyse zeigt einen wachsenden Konsens, dass gutes ESG-Management in Firmen üblicherweise in besseren operativen Metriken wie Return on Equity, Return on Assets oder Aktienpreisen resultiert. Für Investoren, die mit Portfolios Alpha (risikoadjustierte Mehrrendite, Anm. der Redaktion) erzielen wollen, scheinen manche ESG-Strategien marktübliche oder bessere Renditen als herkömmliche Anlagestrategien zu erzielen, insbesondere, wenn es um langfristige Investments geht“, resümieren die Forscher.
Nicht alle Studien sind positiv
Es gibt jedoch auch Gegenstimmen. Eine Studie im „Journal of International Financial Markets, Institutions and Money“ kam im März 2024 zu folgendem Schluss: „ESG-Investieren führt nicht generell zu abnormalen Renditen in unserer großen, internationalen Marktstichprobe. Wir sehen keinen Beweis für systematische und verlässliche Alphas in ESG-Portfolios.“
Zudem, sagen die Ökonomen, seien die „abnormalen Renditen“ bei ESG-Investments, zumindest anhand der wenigen, beobachtbaren Fälle, tendenziell eher negativ statt positiv. „Investoren sollten keine besseren Renditen durch Investments in ESG-Aktien erwarten.“
Für Anlegerinnen und Anleger macht das die Angelegenheit nicht einfacher. Nichtsdestotrotz gibt es Gründe für grüne und nachhaltige Investments. Einerseits sprichts nichts dagegen, Fonds, ETFs und auch Einzelaktien auch unter ethischen Gesichtspunkten auszuwählen, wenn dadurch das Gewissen beruhigt ist.
Die Dekarbonisierung kommt - und bringt Kosten mit sich
Zudem gibt es auch handfeste, renditeorientierte Gründe. Denn die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist politisch gewollt, und damit ein nicht zu unterschätzender Faktor in den Kosten von Unternehmen. Anders ausgedrückt: Firmen, die jetzt schon grün - sprich: mit wenigen oder keinen CO2-Emissionen - wirtschaften, sparen am Ende Kosten.
Momentan kostet die Emission einer Tonne CO2 knapp 80 Euro, achtmal so viel wie noch 2018. Bloomberg-Experten erwarten, dass sich dieser Preis in den kommenden zehn Jahren auf fast 200 Euro mehr als verdoppeln wird. Diese Kosten schlagen über Versorger und Zulieferer auch auf die Unternehmen durch, die selbst gar kein CO2 emittieren.
Nachhaltigkeit kann sich eben doch lohnen
Daher betrifft die CO2-Bepreisung am Ende alle. Hinzu kommen teilweise sektorspezifische Faktoren. Strengere Flottengrenzwerte bei den Autobauern beispielsweise. Hier drohen der ohnehin gerade hinterherhinkenden europäischen Autoindustrie milliardenschwere Bußen.

Autobauer, die also nachhaltiger arbeiten, riskieren diese Kosten nicht – mit voraussichtlich positiven Effekten auf das Geschäft und folglich den Aktienkurs.
Es kann sich für Anleger also doch lohnen, die Nachhaltigkeit von Unternehmen im Blick zu behalten. Dank einer neuen Kooperation können sich onvista-Nutzer künftig schnell einen Blick über diese Komponente verschaffen – dank der Nachhaltigkeits-Scores von money:care.