Kolumne von Andreas Lipkow

Wieso chinesische Techkonzerne für Anleger wieder interessant sind

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Quelle: crystal51/Shutterstock.com

China steht aktuell vor einer wesentlichen wirtschaftlichen Herausforderung, die Erinnerungen an die "verlorenen Jahrzehnte" Japans in den 1990er- und 2000er-Jahren weckt. In dieser Zeit steckte Japan im Würgegriff einer deflationären Preistendenz fest.

Sinkende Preise mögen für Verbraucher zunächst attraktiv erscheinen, doch sie bergen ernsthafte Risiken für die gesamte Volkswirtschaft. In diesem Beitrag möchte ich die Parallelen zwischen Chinas aktuellem Zustand und Japans damaliger Situation darstellen und mögliche Strategien vorschlagen.

Deflation in China: Ein Blick auf die Gegenwart

Seit einigen Jahren kämpft China mit einer schwachen Binnennachfrage, Überkapazitäten in der Industrie und einem Immobilienmarkt, der unter Druck steht. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass die Verbraucherpreise stagnieren oder gar sinken – ein klassischer Indikator für Deflation. Unternehmen senken ihre Preise, um Lagerbestände abzubauen, was die Gewinnmargen schmälert und Investitionen bremst.

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Gleichzeitig zögern Verbraucher mit Ausgaben in der Erwartung weiter fallender Preise, was die Nachfrage weiter dämpft. Diese Spirale ist besorgniserregend. Denn sie könnte China in eine langanhaltende Phase wirtschaftlicher Stagnation führen. Bestätigt wurde dieses Szenario durch die jüngst publizierten Verbraucherpreisdaten und Produzentenpreise. Sie zeigen eine klare Tendenz hin zu einem deflationären Preisumfeld in China auf.

Parallelen zu Japan in den 1990er- und 2000er-Jahren

Japans Wirtschaft erlebte nach dem Platzen der Immobilien- und Aktienblase Ende der 1980er-Jahre eine ähnliche Entwicklung. Das sogenannte "Lost Decade" – das sich letztlich über zwei Jahrzehnte erstreckte – war geprägt von Deflation, niedrigem Wachstum und einer zögerlichen Geldpolitik. Unternehmen horteten liquide Mittel statt zu investieren, während die Banken mit faulen Krediten aus der Boomphase belastet waren.

Die japanische Regierung reagierte spät und oft unentschlossen, was die Krise verlängerte. Ähnlich wie Japan damals steht China heute vor einer Überkapazität in Schlüsselindustrien (zum Beispiel Stahl und Bau) und einem Immobilienmarkt, der nach Jahren des Booms ins Stocken geraten ist. Zudem kämpft China mit einem unvorstellbar großen Schattenbanksektor und starken finanziellen Verflechtungen der großen chinesischen Konzerne.

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Ein Beispiel dafür hatte die Pleite des Immobilienkonzerns Evergrande gegeben. Die Parallelen zwischen den beiden Volkswirtschaften sind frappierend: Beide Länder sind stark exportorientiert, haben hohe Sparquoten und sehen sich mit einer stagnierenden Bevölkerung konfrontiert, die den Konsum zusätzlich dämpft. In China ist das Wachstum der Bevölkerung durch die ehemalige „Ein-Kind-Politik“ ins Stocken geraten.

Ein entscheidender Unterschied liegt jedoch im politischen System. Während Japan als Demokratie mit einer unabhängigen Zentralbank agierte, hat die chinesische Regierung unter der Führung der Kommunistischen Partei direkteren Einfluss auf die Wirtschaft. Dies könnte ein Vorteil sein – sofern die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Vorschläge für die chinesische Regierung

Um der Deflationsspirale zu entkommen, könnte die chinesische Regierung folgende Strategien verfolgen:

  1. Stimulation der Binnennachfrage: Groß angelegte Investitionen in Infrastruktur und soziale Programme könnten die Kaufkraft der Bevölkerung stärken. Ein Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien oder digitaler Infrastruktur würde zudem langfristiges Wachstum fördern.
  2. Lockerung der Geldpolitik: Die Zentralbank Chinas könnte die Zinssätze weiter senken und die Liquidität im Bankensystem erhöhen, um Kredite für Unternehmen und Haushalte zu erleichtern. Dies würde Investitionen und Konsum ankurbeln.
  3. Restrukturierung der Wirtschaft: Überkapazitäten in traditionellen Industrien sollten abgebaut werden, während innovative Sektoren wie Künstliche Intelligenz (KI), Elektromobilität und Biotechnologie gefördert werden. Dies könnte China von einer exportgetriebenen zu einer innovationsgetriebenen Wirtschaft transformieren.
  4. Soziale Sicherheitsnetze stärken: Eine bessere Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit würde die Sparneigung der Haushalte verringern und den Konsum ankurbeln – ein Problem, das auch Japan lange unterschätzt hat.

Drei der vier Maßnahmen wurden auf dem zuletzt organisierten Volksparteitag noch einmal unterstrichen. Insbesondere die Fokussierung auf den Technologiesektor könnte China mit Deepseek und dem Quantumcoputer Zuchongzhi 3.0 eine schnellere und effizientere Digitalisierung ihrer Wirtschaft bringen als es derzeit in den westlichen Industrienationen der Fall ist.

Die Rolle der US-Außenhandelspolitik

Die US-Außenhandelspolitik stellt jedoch eine erhebliche Hürde dar. Seit dem Handelskrieg in Donald Trumps erster Amtszeit (fortgeführt unter Joe Biden) hat die USA eine harte Linie gegen China eingeschlagen. Strafzölle auf chinesische Waren, Exportbeschränkungen für Hochtechnologie (zum Beispiel Halbleiter) und die Förderung der "Friendshoring"-Strategie, bei der Handel auf befreundete Staaten verlagert wird, haben Chinas Exporte geschwächt.

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Chinas wirtschaftlichen Einfluss einzudämmen, erschweren jedoch Pekings Bemühungen, die Binnennachfrage zu kompensieren. Während Japan in seiner Krise auf einen stabilen Zugang zu westlichen Märkten zählen konnte, sieht sich China mit einem feindlicheren internationalen Umfeld konfrontiert.

Die Belt-and-Road-Initiative (BRI) war ein Versuch, neue Exportmärkte zu erschließen. doch viele Partnerländer kämpfen mit Schulden, was die Effektivität dieses Projekts einschränkt. Gleichzeitig verstärken die USA ihre Allianzen mit Ländern wie Japan und Indien, um China geopolitisch und wirtschaftlich einzuhegen.

Immer mehr Zölle kommen
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Diese Politik zwingt China, stärker auf Autarkie zu setzen – ein Ansatz, der jedoch in einer globalisierten Welt nur begrenzt tragfähig ist. Auch im Technologiesektor werden immer neue und höhere Hürden für eine Weiterentwicklung Chinas durch die USA aufgestellt. Ein Wettrennen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist entbrannt.

Die deflationäre Preistendenz in China birgt das Risiko, die Wirtschaft in eine langwierige Stagnation à la Japan zu führen. Doch die chinesische Regierung hat durch ihre zentralisierte Kontrolle die Möglichkeit, entschlossen gegenzusteuern – sei es durch Investitionen, geldpolitische Maßnahmen oder eine Neuausrichtung der Wirtschaft.

Die US-Außenhandelspolitik erschwert diesen Prozess erheblich, indem sie Chinas Exportmotor bremst und den Zugang zu Schlüsseltechnologien blockiert. Peking steht vor der Herausforderung, innenpolitische Stabilität mit einer klugen Anpassung an ein schwieriges außenwirtschaftliches Umfeld zu verbinden. Ob dies gelingt, wird nicht nur Chinas Zukunft, sondern auch die globale Wirtschaft maßgeblich beeinflussen.

Wie kann nun ein Investor von dieser Situation profitieren?

Es wird sich sehr schnell herausstellen, dass China die Situation nur durch eine beschleunigte Digitalisierung und Förderung der Technologie lösen kann. Für Anleger kann es somit interessant sein, verstärkt auf die Aktien der großen chinesischen Technologiekonzerne zu setzen.

Der Schulterschluss zwischen der chinesischen Regierung und den Konzernlenkern wurde vor wenigen Handelswochen auf einer Konferenz gezeigt. Die Unabhängigkeit dieser Konzerne von den anderen Staaten wird sukzessive Abnehmen und der chinesische Binnenmarkt in Bedeutung gewinnen. Beachten sie jedoch weiterhin die latenten politischen Risiken bei den Aktien von chinesischen Unternehmen in der jeweiligen Positionsgröße. Das aktuelle Handelsjahr 2025 wird noch viele positive und negative Überraschungsmomente parat halten.

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