Milliarden-Zukauf in Polen bei Erste-Group-Hauptversammlung im Fokus

Wien (Reuters) - Rekordgewinn, höchste Dividende aller Zeiten, ein Allzeithoch beim Aktienkurs und der lang ersehnte Einstieg in Polen durch den größten Zukauf in der Unternehmensgeschichte: Auf der Hauptversammlung von Österreichs größtem Geldhaus Erste Group gab es für Aktionäre kaum Anlass zur Kritik.
Im Mittelpunkt stand der milliardenschwere Einstieg in den polnischen Markt. Für 6,8 Milliarden Euro übernimmt die Erste Group 49 Prozent an der polnischen Tochter der spanischen Santander Bank – einer der größten Bankdeals Europas der vergangenen Jahre.
"Das war für uns ein extrem großer Schritt", sagte Bankchef Peter Bosek, der seit Sommer 2024 an der Spitze des Instituts steht. Der Deal sei das Resultat einer langen Suche und strategischer Zielstrebigkeit. "Wir wussten immer, dass Polen unser Ziel ist", so Bosek. Der Abschluss der Transaktion ist für Ende 2025 geplant.
Dass der Einstieg nun klappte, goutierte der Markt mit einem 20-prozentigen Plus des Aktienkurses bis auf ein Allzeithoch von über 72 Euro. "Unser Börsenwert ist um fünf Milliarden Euro gewachsen. Wir kratzen an der 30-Milliarden-Marke", so Bosek.
Einige Aktionäre stellten dennoch kritische Fragen – etwa zur Minderheitsbeteiligung und ob die Wachstumsaussichten den hohen Kaufpreis rechtfertigen. Finanzchef Stefan Dörfler verwies auf die außergewöhnlich dynamische Entwicklung des polnischen Markts. Das Kreditwachstum liege dort deutlich über dem Niveau der übrigen Erste-Group-Märkte – und das nicht nur kurzfristig. "Wir erwarten, dass diese Entwicklung nicht nur in den kommenden Jahren, sondern auf Jahrzehnte hinaus anhält", sagte Dörfler. Die Beteiligung werde sich positiv in wesentlichen Kennzahlen niederschlagen.
Zur Frage, warum sich die Erste Group mit 49 Prozent zufriedengebe, erklärte Dörfler, dass regulatorische Vorgaben in Polen einen signifikanten Anteil der Aktien an der Warschauer Börse verlangen. Ein Mehrheitserwerb hätte zudem ein Pflichtangebot an alle Aktionäre ausgelöst – bei einer börsennotierten Bank mit einem Marktwert von rund 13 Milliarden Euro wäre das für die Erste Group kaum zu stemmen gewesen. "Wir sind auch mit 49 Prozent strategischer Hauptaktionär und üben Kontrolle über den Aufsichtsrat aus", erklärte Dörfler. Rund 37,8 Prozent der Anteile befinden sich im Streubesitz, die restlichen 13 Prozent hält Santander.
EX-BANKENPRÜFER SOLL NEUER AUFSICHTSRATSCHEF WERDEN
Für Diskussionen sorgte auch der bevorstehende Wechsel an der Aufsichtsratsspitze. Der langjährige Vorsitzende Friedrich Rödler, der das Gremium seit 2012 leitete, tritt ab. Ihm soll Gottfried Haber folgen – ehemaliger Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und Aufseher bei der Finanzmarktaufsicht. Haber, der im Herbst 2024 vorzeitig aus der Notenbank ausschied, stellte sich zunächst der Wahl in den Aufsichtsrat und wurde mehrheitlich gewählt. Anschließend soll er zum Vorsitzenden gewählt werden. Ein Aktionär äußerte Zweifel an seiner Unabhängigkeit und forderte mehr Transparenz – auch hinsichtlich seiner aktuellen Tätigkeit.
Rödler verteidigte die Personalie. Haber sei durch ein reguläres Auswahlverfahren gegangen, der Nominierungsausschuss habe sowohl Qualifikation als auch Unabhängigkeit geprüft: "Er wird nicht am Hungertuch nagen, wenn er jetzt ein paar Monate nicht arbeitet."
Kritik kam auch von Umweltaktivisten, die der Bank unzureichendes Engagement in Sachen Klimaschutz vorwarfen.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)