Kommentar

Die EU kriegt einen „demütigenden“ Deal - und die Märkte stört's nicht

onvista · Uhr

Endlich gibt es einen Deal zwischen der EU und den USA - und prompt Kritik von Ökonomen und Wirtschaftsvertretern. Die Märkte stört's nicht. Doch woher die gute Laune der Anleger kommt, lässt sich immer schwerer erklären.

Flaggen der EU-Länder sind zu sehen
Quelle: Adobe.com/doganmesut

Manchmal muss man auch Humor an der Börse haben. Wie das „Wall Street Journal“. Jüngst erinnerte das Blatt an einen satirischen Artikel aus dem Jahr 1998, mitten im Fieber des Dotcom-Booms.

„Der Markt sprang heute morgen aus Gründen, die niemand versteht und niemand vorhersagte. Analysten erklären selbstbewusst, dass es wohl mit der senegalesischen Geldmenge zu tun haben müsse, während andere auf revidierte Zahlen zum mageren Thunfischfang an der peruanischen Küste verwiesen“, so der damalige Artikel.

2025 könne über den Markt ähnliches gesagt werden, schreibt das „WSJ“. Wenige Analysten haben prognostiziert, dass sich dieses Börsenjahr so entwickeln würde, und noch weniger können es präzise rationalisieren.

Es gibt Kurstreiber, keine Frage. Bislang fielen die Unternehmenszahlen gut aus, gerade bei Zugpferden wie Nvidia im ersten Quartal oder kürzlich bei Alphabet fürs zweite Quartal. Die US-Verbraucher als kaufkräftigste Konsumenten der Welt sind mittlerweile wieder deutlich optimistischer eingestellt, nachdem der „Liberation Day“ von US-Präsident Donald Trump Anfang April die Stimmung massiv eingetrübt hatte.

Für den Deal der EU mit den USA hagelt es Kritik

Im Zollstreit geht es ebenfalls voran. Nur, ist das Wasserglas nach dem Deal zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) nun halb voll oder halb leer? Man könnte argumentieren, mit 15 Prozent Zöllen kommt die EU noch glücklich davon, es ist ja nur die Hälfte der angedrohten 30 Prozent.

Auf der anderen Seite sind die Zölle ab dem 1. August fünf Prozentpunkte höher als bislang. Und mal eben über zehnmal höher als vor Trumps zweiter Amtszeit. Im Schnitt wurden auf Einfuhren vor Trump nämlich nur 1,2 Prozent fällig. Aber nun habe der Staatenbund nun „Stabilität“ und „Vorhersagbarkeit“, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte. Immerhin.

Unterdessen ächzen Ökonomen und Industrievertreter. Ifo-Chef Clemens Fuest wetterte auf LinkedIn: „Der asymmetrische Handels-Deal ist eine Demütigung für die EU.“ Kritik kam auch von Wolfgang Niedermark, Geschäftsführer des Industrieverbands BDI: „Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks.“

Die Märkte zeigen sich „Seltsam heiter“

Die Märkte stört das nicht. Ohnehin blieben die Anleger nach dem anfänglichen Schrecken Trump’scher Zolldrohungen im Frühjahr erstaunlich ruhig. S&P 500 und Nasdaq 100 haben sich nicht nur rekordverdächtig schnell von einem Beinahe-Bärenmarkt erholt, sondern notieren wieder auf Rekordniveau. 

Weniger gut schlägt sich zwar der Dax, der sich aber auch in den Monaten zuvor deutlich besser entwickelte als seine Pendants an der Wall Street. Das nur leichte Minus zum Wochenauftakt beweist unterdessen, dass die Anleger in Frankfurt wohl der Meinung sind, dass es in punkto Zollstreit wohl schlimmer hätte kommen können. Der Euro Stoxx 50 wiederum notiert sogar im Plus.

„Seltsam heiter“ nennt Ajay Rajadhyaksha, Chef der Analyse bei der Investmentbank Barclays, die Märkte in einem Artikel bei der „Financial Times“. Regelrecht euphorisch seien die Börsen sogar. Trotz des Handelskriegs. Trotz neuer Zölle.

Das Glas ist wohl halb voll

„Wir dürfen uns nichts vormachen", schreibt Rajadhyaksha, und fügt an: „Die düsteren Prognosen rund um den Handelskrieg haben sich schlicht als falsch erwiesen. Der weltweite Handel wird so massiv umgeordnet wie seit den 1930ern nicht mehr – und nichts ging dadurch kaputt. Zumindest bislang.“ Das sei sowohl sehr überraschend, als auch enorm eindrucksvoll, resümiert der Stratege.

Kaputt scheinen allenfalls übliche Kausalketten. Freihandel gut, Zölle schlecht. Hieß es jedenfalls immer. Über diesen Weg lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum die Märkte derzeit so guter Laune sind.

Letztlich gilt das, was das „Wall Street Journal“ titelte. Manchmal steigen die Kurse eben, und keiner weiß, warum eigentlich genau. Allem Anschein nach ist das Glas aktuell halb voll.

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