Dax ordentlich durchgeschüttelt – Furcht vor Rezession kehrt an die Märkte zurück – Deutschen Pfandbriefbank auf Talfahrt

onvista · Uhr

Aus Furcht vor einer langwierigen weltweiten Rezession nehmen Aktienanleger Reißaus. Ihren Pessimismus verstärkte der düstere Konjunkturausblick von US-Notenbankchef Jerome Powell.

„Aktuell verabschieden sich immer mehr Anleger von der Erwartung einer zügigen V-förmigen Erholung nach der Krise“, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. „Den Aufschwung hatten sie sich wohl etwas zu einfach vorgestellt.“

Dax und EuroStoxx50 verloren am Donnerstag jeweils zei Prozent auf 10.337,02 und 2754,54 Punkte, nachdem sie zwischen Mitte März und Ende April in der Hoffnung auf eine rasche Überwindung der Coronavirus-Pandemie rund 30 Prozent zugelegt hatten. An der Wall Street gab der US-Standardwerteindex Dow Jones 0,3 Prozent nach. „Wir glauben zwar nicht, dass der Markt seine jüngsten Tiefs noch einmal antesten wird“, sagte Tony Huntley, Chef-Anleger des Fondsanbieters Adansonia. „Das Beste hat er aber wohl schon hinter sich.“

Powell hatte am Mittwoch vor der schärfsten US-Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gewarnt. Die Erholung der Wirtschaft werde dauern. „Investoren beginnen zu realisieren, dass die Konjunkturhilfen nicht ausreichen, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Pleitewelle, die wir sehen werden, zu verhindern“, sagte Rabobank-Volkswirt Stefan Koopman.

Dollar, Gold und Anleihen gefragt – Ölpreis steigt

Dies trieb Anleger in „sichere Häfen“ wie die Weltleitwährung. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um bis zu 0,3 Prozent auf ein Drei-Wochen-Hoch von 100,556 Punkten. Zusätzlichen Rückenwind erhalte die US-Währung von der Absage Powells an negative Leitzinsen, sagte Analyst Ricardo Evangelista vom Brokerhaus ActivTrades.

Die „Antikrisen-Währung“ Gold verteuerte sich um 0,9 Prozent auf 1730,79 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Angesichts der anhaltenden Spekulationen um negative US-Leitzinsen bleibe ein Preisanstieg auf 2000 Dollar aber realistisch, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Schutz suchten Investoren auch bei Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf bis zu minus 0,557 von minus 0,526 Prozent.

Gefragt war auch Rohöl. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um 2,9 Prozent auf 30,04 Dollar je Barrel (159 Liter). Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg verwies auf Anzeichen eines zurückgehenden Überangebots, nachdem die US-Lagerbestände in der vergangenen Woche erstmals seit Januar gefallen waren.

Lufthansa im Aufwind

Die Aktien der Lufthansa arbeiteten sich nach anfänglichen Verlusten an die Dax-Spitze vor und gewannen 2,4 Prozent. In Erwartung einer Lockerung der Reise-Beschränkungen will die Fluggesellschaft ab Juni das Angebot ihrer Verbindungen wieder ausweiten.

Die Konjunktursorgen hinterließen unter anderem im Autosektor ihre Spuren. Im Dax versammelten sich die Papiere von BMW, Volkswagen und Daimler mit Abschlägen zwischen 2,8 und 3,5 Prozent unter den größten Verlierern. Sie gelten bei Anlegern in unruhigen Börsenzeiten als besonders konjunkturanfällig.

Wirecard im Fokus

Ansonsten lief die Berichtssaison nochmals auf Hochtouren. Dabei erwiesen sich die Aktien von Wirecard einmal mehr als schwankungsfreudig. Am Ende mussten die Aktionäre ein Minus von 2,7 Prozent einstecken, obwohl es Stimmen gab, dass das erste Quartal solide gewesen sei. Nach Ansicht des JPMorgan-Experten Sandeep Deshpande brauchen Investoren eine Lösung der anhaltenden Probleme, bevor sie sich wieder mit laufenden Ergebnissen beschäftigen können.

Von einem als gut beurteilten Jahresstart konnten derweil auch die Aktien von RWE nicht profitieren, sie fielen um 1,1 Prozent, was immerhin weniger war als beim Dax. Die Papiere der Deutschen Telekom dagegen waren mit einem Anstieg um 1,3 Prozent eine klar positive Ausnahme im deutschen Leitindex, verdiente der Telekomkonzern doch zum Jahresauftakt trotz der Viruskrise wieder mehr Geld.

Im Nebenwertebereich waren einige prozentual zweistellige Kursrutsche auffällig. Der Elektronikhändler Ceconomy etwa vergraulte seine Anleger mit einem pandemiebedingten Verlust im zweiten Geschäftsquartal, während Bilfinger einen Gewinneinbruch in Aussicht stellte und die Dividende kappte. Beide Aktien brachen im Kleinwerte-Index SDax  um mehr als zehn Prozent ein.

Deutschen Pfandbriefbank auf Talfahrt

Auch im MDax sackte mit der Deutschen Pfandbriefbank ein Papier um mehr als zehn Prozent ab. Nahe fünf Euro erreichten sie ein Rekordtief, nachdem Analyst Jochen Schmitt vom Bankhaus Metzler sein Kursziel auf dieses Niveau gesenkt hatte. Näher könnten Wohl und Wehe wohl kaum beieinander liegen: Erst im Februar hatten die Papiere des Immobilienfinanzierers über 15 Euro ihre Bestmarke erreicht.

Positive Ausnahmen im MDax und SDax waren nach Zahlen die Papiere zweier Online-Unternehmen. Papiere des Portalbetreibers Scout24 rückten infolge eines guten operativen Quartalsergebnisses um 2,7 Prozent vor und jene der Shop Apotheke zogen um 6,4 Prozent an. Durch die Corona-Krise begünstigt legte die Internet-Apotheke einen starken Jahresauftakt hin.

Eurnext stark

Bei den europäischen Aktienwerten stach Euronext heraus. Die Titel des Börsenbetreibers stiegen auf ein Rekordhoch von 88,90 Euro und lagen am Abend 2,4 Prozent im Plus bei 83,85 Euro. Dank gestiegener Umsätze und geringerer Kosten habe das Quartalsergebnis die Erwartungen übertroffen, lobte Analyst Martin Price von der Investmentbank Jefferies. Vor allem das Aktiengeschäft laufe gut und könne mittelfristig für positive Überraschungen sorgen.

Cisco im US-Handel gefragt

An der Wall Street gehörten die Papiere von Cisco mit einem Kursplus von 5,3 Prozent zu den Favoriten. Die Umsatzeinbußen des Netzwerk-Ausrüsters durch die Virus-Krise hätten schlimmer ausfallen können schrieb Analyst Paul Silverstein vom Vermögensverwalter Cowen. Die Ertragskraft sei sehr beeindruckend und spreche für die anhaltende Preissetzungsmacht des Unternehmens.

onvista/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: H-AB Photography / shutterstock.com

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