onvista Börsenfuchs: Traut dem Aktienmarkt noch nicht!
Hallo Leute! Wir leben in einer unsicheren, ja brisanten Welt. Deshalb bleiben auch die Analysen und Prognosen der Profis uneinheitlich (was den Anlegern kaum weiterhilft).
Mir fällt seit ein paar Tagen auf, dass jetzt konkrete Aussagen über die Konjunktur-, Inflations- und Börsenaussichten weniger im Mittelpunkt bestehen als vielmehr die mutmaßlichen zeitlichen Abläufe: Bis wann kann was dauern? Heraus kommen dabei Vorschauen, die (grob differenziert) auf kurze Sicht noch voller Skepsis sind, im Verlauf des nächsten Jahres aber zumindest Chancen oder Ansätze für eine Normalisierung erkennen. Sind also so gesehen auch (noch) keine Mutmacher.
Trotzdem sollt Ihr wissen, wie beispielsweise unsere Schweizer Freunde ticken, die ich sehr schätze. Deshalb wesentlichen Auszüge aus der jüngsten Sitzung des Anlagekomitees der Credit Suisse.
Dort wurde beschlossen, die Untergewichtung von Aktien beizubehalten und in Schwellenländer-Hartwährungsanleihen übergewichtet zu bleiben. In Bezug auf Rohstoffe und Schwellenländerwährungen hat es seine absolute Einschätzung von Neutral auf Unattraktiv geändert.
Wie das? Der makroökonomische Ausblick spricht für weitere Untergewichtung von Aktien. Seit dem Höchststand Mitte August haben die globalen Aktienmärkte einen massiven Einbruch erlitten und den Bärenmarkt, der Anfang des Jahres begann, damit fortgesetzt.
Bei diesem letzten Einbruch verlor der US-Markt, gemessen am S&P 500, per Ende September rund 17 %. Dieser Rückgang ging mit erneuter Schwäche an den Anleihemärkten einher, da die Anleiherenditen stiegen und Marktteilnehmer mit einer nochmals stärkeren geldpolitischen Straffung rechneten.
Anfang Oktober setzte eine teilweise Erholung ein, und auch die Anleiherenditen gaben etwas nach. Nach Meinung des Anlagekomitees stellt dies aber keine nachhaltige Bodenbildung des Marktes dar, weshalb es sich entschlossen hat, nicht auf eine Bärenmarktrally zu setzen, die schon bald wieder vorbei sein könnte.
Die schädliche Kombination von stockendem Wirtschaftswachstum, hoher Inflation und restriktiveren Finanzierungsbedingungen dürfte weiterhin Druck auf Aktien ausüben. Europa rutscht voraussichtlich in eine Rezession, und die USA dürften ein sehr schwaches Wachstum und steigende Rezessionsrisiken verzeichnen. China erlebt eine Wachstumsverlangsamung. Gleichzeitig sollte die hohe Inflation die Zentralbanken von einem Kurswechsel abhalten.
Während der Rückgang an den Aktienmärkten seit Anfang dieses Jahres im Wesentlichen eine Neubewertung aufgrund stark steigender (Real-)Renditen darstellt, könnten im Zuge des anhaltenden Konjunkturabschwungs größere Gewinnenttäuschungen unvermeidlich sein. Die Gewinnprognosen der Analysten erscheinen zu optimistisch und widerspiegeln das turbulentere Wirtschaftsumfeld nach wie vor nicht.
Das Anlagekomitee betont die Notwendigkeit des Vermögenserhalts und agiert vorzugsweise mit Vorsicht, statt auf potenzielle kurzfristige Gewinne zu setzen. Bei Aktien haben wir den Schweizer Markt auf Übergewichten genommen, da wir davon ausgehen, dass sich dieser während des Konjunkturabschwungs als defensiver erweisen wird.
Die Rohstoffpreise sind durch die „Wiedereröffnung der Wirtschaft“ nach der Pandemie und vor allem im laufenden Jahr durch die erhebliche Knappheit infolge der Invasion Russlands in die Ukraine massiv gestiegen. Rohstoffe sollten sich langfristig weiterhin gut entwickeln, bieten doch mehrere strukturelle Trends, wie zum Beispiel die steigende Rohstoffnachfrage im Vorgriff auf die Energiewende, Unterstützung.
Kurzfristig dürfte jedoch der Konjunkturabschwung dominieren, zumal die Preise immer noch deutlich über den Produktionskosten liegen. Deshalb hat das Anlagekomitee die taktischen Ertragsaussichten für den breiteren Rohstoffkorb auf Unattraktiv gesenkt.