Kolumne

Sind die Aktienmärkte diesmal gegen steigende Zinsen resistent?

Acatis · Uhr
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Diese Frage stellt man sich in diesen Tagen, denn es ist schon erstaunlich, wie gut sich die Aktienmärkte in der westlichen Welt trotz der hier deutlichen Zinserhöhungen entwickelt haben. Üblicherweise leiden Aktien ja, wenn Zinsen steigen, denn die Risikoprämie, die Aktien üblicherweise aufgrund ihrer Schwankungen haben, schrumpft dann erheblich. Ein Blick in die USA macht es deutlich.

Dort liegt die Gewinnrendite der S&P 500-Unternehmen nicht mal mehr ein Prozent über der zehnjähriger US-Staatsanleihen. Das war vor dem Zinsanstieg seit 2022 ein Mehrfaches davon. Einfach ausgedrückt: Wer in diesen Tagen Aktien kauft, der ist bereit, für weniger als ein Prozent mehr Rendite gegenüber sicheren Staatsanleihen, das Risiko stark fallender Kurse auf sich zu nehmen.

Nicht Kalkül, sondern Fantasie treibt derzeit die Kurse

Warum gehen Anleger derzeit das Risiko des Aktienkaufes immer noch ein, Aktien mit dieser geringen Risikoprämie zu kaufen? Ganz einfach. Es ist die Fantasie, die die Kurse treibt, denn Aktien können phasenweise natürlich viel stärker steigen als ihre intrinsische Rendite – dann zum Beispiel, wenn sie unterbewertet sind, oder wenn Notenbanken viel Liquidität in die Märkte pumpen oder bei höherer Inflation.

Denn während Anleihen völlig unberührt von Inflation ihre Zinsen zahlen und auch zurückgezahlt werden, steigen bei Aktien mit der Inflation auch die Umsätze und bei stabilen Gewinnmargen auch die Gewinne, wie wir zuletzt eindrucksvoll beobachten konnten. Ebenfalls steigt die Substanz und damit der Buchwert. Das ist in Zeiten größerer Preissteigerung der große Vorteil der Aktie. Schaut man sich seit dem Inflationsanstieg die Entwicklung der verschiedenen Anlageformen an, so bieten Aktien bisher den besten Inflationsschutz.

Die Resistenz von Aktien gegenüber steigenden Zinsen kann trügerisch sein

In diesem Jahr ist die Aktienaufwärtsbewegung umso beeindruckender, als dass die Konkurrenz zur Aktie durch die steigenden Zinsen immer stärker geworden ist. Heißt das nun, dass Aktien diesmal resistent gegenüber steigenden Zinsen sind? Ich glaube, nein. Es gab immer wieder Phasen, in denen die Zinsen gestiegen und auch die Aktien zunächst noch gestiegen sind. Besonders eindrucksvoll in Erinnerung ist mir das Jahr 1987 geblieben. Da war ich erst rund zwei Jahre an der Börse aktiv. Damals stiegen ab dem Jahresanfang die Renditen von US-Staatsanleihen von rund sieben auf zehn Prozent.

Die kurzfristigen Zinsen zogen leicht an. Parallel dazu stiegen wie auch in diesem Jahr die Aktien, und zwar bis Mitte August. Da überschritten sie ihren Höhepunkt und bröckelten ab da Stück für Stück ab, um dann am 19. Oktober – dem berühmten schwarzen Montag an der Wall Street – abzustürzen. 22,3 Prozent verlor der Dow Jones damals an diesem Tag, mehr als an irgendeinem Tag und auch 1929 im wohl berühmtesten Crash aller Zeiten. Massenweise hatten Investoren die damals neuartigen Aktien-Index-Futures verkauft, um sich gegen die fallenden Kurse abzusichern. Ich will nicht voraussagen, dass wir eine ähnliche Entwicklung in diesem Jahr sehen werden. Was das Jahr aber gezeigt hat, ist, dass nach steigenden Zinsen das dicke Ende immer noch kommen kann, selbst wenn die Aktien zunächst nicht auf die Renditeanstiege reagiert haben.

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