Dax: Angst vor neuer Virus-Variante versetzt die Märkte in Unruhe – Reisewerte schauen wieder in den Abgrund, Krisengewinner stemmen sich gegen den Sturm
Die Abriegelung Großbritanniens aus Furcht vor einer ansteckenderen Coronavirus-Mutation zwingt den europäischen Aktienmarkt zu Wochenbeginn in die Knie.
Anleger brachten ihr Geld in Dollar und Anleihen in Sicherheit. Dax und EuroStoxx50 verloren am Montag 2,8 Prozent und 2,7 Prozent auf 13.246,30 beziehungsweise 3450,77 Punkte und verbuchten damit ihr größtes Tagesminus seit rund zwei Monaten. Das Coronavirus sei zurück an den Börsen, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung QC Partners. „Eine noch ansteckendere Variante macht noch härtere und noch längere Lockdowns deutlich wahrscheinlicher. Damit hat diese Mutation das Potenzial, den ohnehin schon großen wirtschaftlichen Schaden noch weiter zu vergrößern.“
Um zu verhindern, dass sich das mutierte Virus weiter ausbreitet, wurde der Verkehr zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa stark eingeschränkt. „Unsere größte Sorge ist, dass die Mutation schon jetzt auf dem Kontinent außer Kontrolle ist, was den Druck auf das Gesundheitssystem erhöht und noch strengere Lockdowns zu höheren wirtschaftlichen Kosten erfordert“, sagte Gilles Moec, Chefvolkswirt bei Axa Investment Managers.
Am Devisenmarkt sorgt das für Unruhe. Das britische Pfund sackte 1,3 Prozent ab auf 1,3342 Dollar und 0,9 Prozent auf 1,0916 Euro. Zum Dollar war der Rückgang zeitweise so stark wie seit Mitte März nicht mehr, als die erste Welle in der Pandemie für schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt hatte. Die neue Virus-Variante habe möglicherweise auch Auswirkungen auf die Verhandlungen über ein Folgeabkommen zwischen Großbritannien und der EU, sagte Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte bei der Commerzbank. Für die Entscheidungsträger könnte es verlockend erscheinen, erst einmal einen harten Brexit zuzulassen, weil der in einer Quarantäne keinen Unterschied mache. „Das allerdings würde die Dynamik der Verhandlungen über die Beziehungen in der Zeit nach der Quarantäne grundlegend ändern. Denn dann wäre ’no deal‘ die Benchmark.“
Dollar legt zu – Ölpreis rutscht ab
Viele Anleger suchten ihr Heil in als sicher geltenden Staatsanleihen, die Rendite der deutschen Papiere mit zehnjähriger Laufzeit sank im Gegenzug im Handelsverlauf auf minus 0,620 Prozent. Auch der Dollar war gefragt; der Euro rutschte im Gegenzug 0,3 Prozent ab auf 1,2218 Dollar. Eine Trendwende für den Euro sei das nicht, sagte Holger Schnmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg: „Das ist ein vorübergehender Rücksetzer.“ Letztlich dürfte die Gemeinschaftswährung wieder auf Kurs 1,25 Dollar gehen.
Auch am Rohstoffmarkt sorgte die Virus-Mutation für Aufsehen. Ein Barrel Nordseeöl der Sorte Brent verbilligte sich um vier Prozent auf 50,25 Dollar. Die neue Virusvariante erinnere daran, dass die Rückkehr zur Normalität schwierig werden dürfte, sagte Stephen Brennock vom Öl-Brokerhaus PVM.
Der Ölpreisrückgang und eine weitere Milliardenabschreibung lasteten auf den Shell-Aktien. Die Papiere gaben 5,3 Prozent nach. Der Ölkonzern kündigte an, im vierten Quartal Öl- und Gasvorkommen im Volumen von 3,5 bis 4,5 Milliarden Dollar abzuschreiben. „Das vierte Quartal ist selten ein gutes für die Branche, und kurzfristig gehen wird davon aus, dass diese Ankündigung auf den Aktien lastet“, schrieben die Barclays-Experten.
Angesichts der neuen Virussorgen gab es am Aktienmarkt fast nur Verlierer. Auch die Autobranche, die wegen der Impfhoffnungen zuletzt einen Erholungskurs eingeschlagen hatte, geriet erneut unter Druck. So verloren BMW, VW und Daimler zwischen 2,9 und 3,9 Prozent.
Reisewerte schwächer
Jedoch gerieten vor allem die Reisewerte unter die Räder. Die Aktien der British-Airways-Mutter IAG und von Easyjet verloren 7,9 beziehungsweise 7,1 Prozent, die Titel des Eurotunnel-Betreibers Getlink und des Flughafenbetreibers ADP büßten 3,0 beziehungsweise 2,1 Prozent ein. In Frankfurt wurden die Aktien der Deutschen Lufthansa und von Fraport mit einem Abschlag von 4,3 und 5,1 Prozent gehandelt. Das Barometer für die europäischen Reisewerte verbuchte mit einem Minus von 3,2 Prozent den größten Tagesverlust seit acht Wochen.
Krisengewinner stemmen sich gegen den Sturm
Corona-Krisengewinner hielten sich dagegen vergleichsweise gut: Die Anteilsscheine des Essenslieferanten Delivery Hero waren mit einem Rückgang von 0,2 Prozent der Spitzenreiter im Dax. Die Papiere des Laborzulieferers Sartorius stiegen im MDax um 1,0 Prozent. Die Aktien des Medizintechnik-Unternehmens Drägerwerk gewannen 0,7 Prozent. Corona-Krisenverlierer wie Lufthansa, Airbus oder Fraport sackten unterdessen zwischen 3,0 und 5,1 Prozent ab.
Tele Columbus spielt heute außerhalb der Reihe
Die Anteilsscheine des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus entzogen sich dem allgemeinen Marktdruck und schnellten um knapp 12 Prozent nach oben. Ein Übernahmeangebot von Morgan Stanleys Investmentvehikel Kublai befeuerte die bereits in den vorangegangenen Handelstagen stark gestiegenen Aktien.
Unterstützt wird der Deal vom Tele-Columbus-Ankeraktionär United Internet, der seinen knapp 30-prozentigen Anteil andienen und sich dafür an Kublai beteiligen will. Bei den Aktionären von United Internet kamen diese Pläne jedoch weniger gut an. Die Aktien des Internetdienst-Anbieters fielen um 4,1 Prozent.
Die Index-Veränderungen, die an diesem Montag in Kraft traten, rückten in den Hintergrund. Die wichtigste Neuerung ist wohl die Aufnahme der im September an die Börse gebrachten Siemens Energy in den MDax. Die Aktien büßten 1,8 Prozent ein.
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