Bitcoin: Ist der Boden drin? Die Chancen und Risiken

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Der Bärenmarkt im Krypto-Sektor entfaltet sich nun in all seiner destruktiven Pracht. Am Wochenende ist die Kryptowährung Bitcoin im Tief bis hinunter auf die Marke von 17.600 Dollar eingebrochen. Damit hat der Bitcoinkurs das Hoch aus dem vorangegangenen Bullenmarkt aus dem Jahr 2017 unterschritten – ein Novum in der Historie der Kryptowährung. In den bisherigen Bärenmärkten lag der Boden jeweils über dem Hoch des vorangegangenen Bullenmarktes.

Auch der 200-Wochen-Trend, der sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Indikator für einen Boden bewährt hat, musste im Zuge des jüngsten Abverkaufs nachgeben – der Bitcoinkurs hat damit eine Wochenkerze unterhalb dieses Indikators geschlossen. Dies kam bisher nur ein Mal vor, während des Corona-Crashs im März 2020.

Damit ist nun der Kampf um die Bestätigung des Indikators auf Wochen- und Monatssicht eröffnet. In vergangenen Bärenmärkten ist der Kurs im Tief 14 bzw 28 Prozent in einem kurzen Zeitfenster unterhalb des 200-Wochen-Trends gelandet, konnte diesen jedoch schnell wieder zurückerobern. Derzeit liegt das Tief des Candle-Wicks bei 17.600 Dollar und damit 21,5 Prozent unterhalb des 200-Wochen-Trends.

Zu Beginn dieser Woche konnte sich der Krypto-Markt jedoch aufraffen und die Verluste eindämmen. Bitcoin notiert mit einem Plus von gut 5 Prozent wieder deutlich oberhalb der runden Marke von 20.000 Dollar. Ethereum kann mit einem Plus von knapp 10 Prozent die Marke von 1000 Dollar wieder zurückerobern. Die Marktkapitalisierung des gesamten Krypto-Marktes notiert mit einem Plus von gut 5 Prozent wieder annähernd bei der Marke von einer Billion US-Dollar.

Ist der Boden drin?

Die historische Bedeutung des 200-Wochen-Trends als Unterstützung liefert einen starken Orientierungspunkt für den Markt, ist jedoch kein Garant dafür, dass diesmal der Bärenmarkt-Boden an dieser Stelle gefunden werden kann.

Anders als in den vorherigen Bärenmärkten ist die übergeordnete Lage an den Finanzmärkten von extremer Unsicherheit geprägt und dürfte auch weiterhin starke Auswirkungen auf die Entwicklung des Krypto-Marktes haben. Einen ersten Ansatzpunkt für mehr Klarheit dürfte es im Herbst geben, wenn zwei weitere Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed abgefrühstückt sind und die weitere Entwicklung der Inflation besser abzuschätzen ist. Erst wenn die Maßnahmen der Notenbanken im Kampf gegen die Inflation deutliche Wirkung zeigen, kann an den Finanzmärkten eine wirtschaftliche Erholung eingepreist werden und damit den Druck auch vom Krypto-Markt nehmen.

Dennoch könnte das meiste kurzfristig orientierte Kapital aus dem übermäßig stark abverkauften Krypto-Sektor bereits herausgeflossen sein und den Weg zumindest für eine mehrmonatige Konsolidierung um den Bereich von 20.000 Dollar frei machen.

Giles Keating, Direktor von Bitcoin Suisse, sagte am Montag gegenüber dem Nachrichtensender CNBC, dass „wir kurz vor einem Punkt stehen, an dem ein Teil der wirklichen überschüssigen Hebelwirkung nun aus dem System vertrieben wurde und sich ein Boden bilden kann. ” Keating sagte, es bestehe immer noch das Risiko einer weiteren Liquidation, aber er denke, dass der Großteil des Verkaufs beendet sei. „Jetzt warnen einige Leute, dass wir noch nicht so weit sind und dass wir eine weitere Welle von Liquidationen erleben würden, wenn wir deutlich tiefer einbrechen würden. […] Da schwebt immer dieses Risiko. Aber mein Gefühl, angesichts dieser sehr, sehr großen zweistelligen Rebounds, die wir bei Bitcoin, insbesondere bei Ether, gesehen haben, sagt mir, dass dies ein Zeichen dafür war, dass viele dieser wirklich großen Liquidationen jetzt abgeschlossen sind und dass die Basis wirklich gebildet wird.“

Die Risiken

Neben der bereits angesprochenen Unsicherheit an den übergeordneten Finanzmärkten bleiben auch Risiken innerhalb des Krypto-Sektors, da der Kollaps von Terra Luna, sowie die dadurch verursachten Liquiditätsprobleme zusätzlichen Druck auf viele Projekte erzeugen. Celsius Network, einer der größten zentralisierten Anbieter im DeFi-Bereich, hat seit Beginn letzter Woche die Abhebungen von Kapital eingefroren und bisher nicht wieder freigegeben. Ein detailliertes Statement hat das Unternehmen nicht veröffentlicht, jedoch wird vermutet, dass die Plattform durch Verluste im Zuge des Terra-Zusammenbruchs in Schieflage geraten ist und derzeit versucht, mittels Rebalancing-Maßnahmen die eigene Liquidität wieder ins Lot zu rücken.

Desweiteren steht seit ein paar Tagen auch USDD, der Stablecoin der Tron-Blockchain, unter Druck und hat seine Bindung zum US-Dollar verloren. Aufgrund der sehr viel geringeren Marktkapitalisierung als bei Terra Lunas Stablecoin UST ist ein möglicher Zusammenbruch von USDD ein geringeres Risiko für den Gesamtmarkt. Dennoch ist die fragile Lage des Krypto-Sektors und die teils starke Vernetzung der Projekte untereinander ein weiterer potenzieller Problemherd, der für weiteren Abwärtsdruck sorgen könnte, sollte ein weiteres Projekt ernsthaften Schaden nehmen.

Sollte die Marke von 20.000 Dollar für Bitcoin nicht halten, rückt als nächstes die Zone um 13.500 Dollar ins Visier, die das Zwischenhoch aus dem Jahr 2019 und eine signifikante Chartunterstützung aus dem 2017er Bullenmarkt symbolisiert. Sollten auch hier alle Stricke reißen, rückt die runde Marke von 10.000 Dollar in den Fokus.

Quelle: tradingview

Die Chancen

Auf fundamentaler Ebene hat sich für den Investmentcase von Bitcoin nichts zum Negativen geändert. Im Gegenteil, die Adaption schreitet im Hintergrund weiter voran, wie zuletzt gesehen durch die Anerkennung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel durch ein weiteres Land, namentlich der Zentralafrikanischen Republik. Der Höhenflug von Bitcoin seit September 2020 war in Teilen durch langfristige, fundamental begründete Investments und den Einstieg institutioneller Investoren begründet, jedoch hat die Geldmengenausweitung durch die Notenbanken an den Finanzmärkten zu einer enormen Aufblähung diverser Assetklassen geführt. Auch der Krypto-Markt hat Zuflüsse von spekulativ ausgerichtetem Kapital in rauen Mengen erfahren. Der nun stattfindende Abverkauf beruht auf einer Neubewertung der fundamentalen Lage an den Finanzmärkten – ausgelöst durch die 180 Grad Drehung der Notenbanken in Form der geldpolitischen Straffung, um die Inflation zu bekämpfen.

Die nun durch die ausufernde Inflation noch offensichtlicher gewordenen Schwächen des Zentralbank- und Geldsystems schmälern daher nicht die Daseinsberechtigung von Bitcoin als alternativem Zahlungsmittel, sondern dürften das Asset langfristig eher noch attraktiver als alternative Investmentanlage für Investoren machen. Solange die Adaption noch kein kritisches Level überschritten und nicht als Zahlungsmittel in relevanten Größenordnungen verwendet wird, dürfte die Kryptowährung jedoch weiterhin Eigenschaften eines Risk-On-Assets behalten, damit also weiterhin eng mit den Aktienmärkten korrelieren und empfindlich auf die Notenbank-Politik reagieren.

Für langfristig orientierte Investoren bietet ein Bärenmarkt optimale Einstiegszeitpunkte, um ein Engagement einzugehen, oder um monatliche Sparpläne zu befüllen. Zwar ist derzeit noch nicht zu erkennen, ob ein möglicher Boden gefunden oder in der Nähe ist, jedoch befindet sich das Kursniveau mittlerweile weit weg von seiner überkauften und von Hype getriebenen Zone und stellt damit wesentlich günstigere Kaufkurse dar, die sich mit einem langfristigen Zeithorizont auszahlen dürften.  

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