RTL stellt viele Gruner+Jahr-Zeitschriften ein - 700 Jobs betroffen

- von Klaus Lauer
Berlin (Reuters) - Der TV-Sender RTL dampft nach der Fusion mit Gruner+Jahr beim Hamburger Traditionsverlag das Zeitschriften-Geschäft massiv ein und streicht dabei rund 500 Arbeitsplätze.
Etwa 200 weitere Jobs der insgesamt 1900 Vollzeitstellen sollen durch den Verkauf von Titeln wegfallen, teilte RTL am Dienstag mit und bestätigte damit einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Flaggschiffe wie "Stern", "Geo", "Brigitte" und "Capital" werden zwar weitergeführt, aber 23 Zeitschriften - vor allem Ableger der Haupthefte wie "GeoWissen" oder "Brigitte-Woman" - werden eingestellt. Andere bekannte Marken wie "P.M.", "Landlust" oder "11 Freunde" sollen verkauft werden oder nur noch digital ("Chefkoch", "Eltern") erscheinen. "Es ist ein Hammer, ein Schock", hieß es in der Belegschaft. Zudem sollen auch am RTL-Standort Köln bis 2025 rund 300 Jobs wegfallen.
RTL-Chef Thomas Rabe informierte in der Verlagszentrale am Hamburger Baumwall die Beschäftigten. "Wir haben entschieden, uns auf die Kernmarken zu konzentrieren und sie mit Investitionen von etwa 80 Millionen Euro bis 2025 weiterzuentwickeln", erklärte der Manager. Der Verbund von TV-, Streaming- und Publishing-Geschäften sei sinnvoll und schaffe pro Jahr etwa 75 Millionen Euro Mehrwert bei "Inhalten, Vermarktung, Tech & Data sowie bei den Corporate-Funktionen". Bei der Ankündigung der Fusion von RTL Deutschland mit Gruner+Jahr 2021 war noch von 100 Millionen Euro Synergien die Rede gewesen.
Nun wolle man gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche Lösungen für die Betroffenen finden. Der Großteil der Jobs soll nicht in den Redaktionen wegfallen, sondern etwa in der IT, der Verwaltung oder beim Gebäudemanagement. In Hamburg dürften betriebsbedingte Kündigungen kaum zu vermeiden sein, in Köln soll dies etwa über Fluktuation oder Altersteilzeit gelingen.
Die Gewerkschaften reagierten harsch. "Aus Unfähigkeit, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen, zerschlägt Bertelsmann nun den Magazinverlag RTL in Hamburg", kritisierte Verdi-Bundesvorstand Christoph Schmitz. Die Entscheidung, Zeitschriften einzustellen, sei "durch nichts begründet als durch gewissenlose Profitmaximierung", monierte auch der Bundesvorsitzende Frank Überall vom Deutschen Journalistenverband (DJV). Das sei die Abwicklung des renommierten Medienhauses Gruner+Jahr.
RABE NACH RÜCKSCHLÄGEN IN DER KRITIK - "ER HAT KEINEN LAUF"
Rabe erläuterte vor der Belegschaft, dass der operative Gewinn von Gruner+Jahr 2022 nur bei einer Million Euro lag, nach 40 Millionen 2021. Wegen höherer Kosten für Papier und Energie sowie Umsatzeinbußen bei Anzeigen und Vertrieb dürfte der Verlag 2023 demnach beim Ebita 26 Millionen Euro Verlust schreiben.
Im Detail ist geplant, "Stern", "Geo", "Capital" und "Stern Crime" aufgrund großer Synergien mit den RTL-TV-Redaktionen künftig in der RTL News GmbH zu führen. Die übrigen Kernmarken "Brigitte", "Gala", "Schöner Wohnen", "Häuser", "Couch", "Eltern" (Digital), "Chefkoch" (Digital), "GEOlino" und "GEOlino mini" verbleiben in der Gruner+Jahr Deutschland GmbH und mehreren Tochterfirmen. "Alle weiteren Titel und Ableger werden verkauft oder eingestellt", teilte RTL mit. Über den Verkauf der Beteiligung an der Deutschen Medien-Manufaktur (DMM) werde man Gespräche mit dem Mitgesellschafter Landwirtschaftsverlag Münster aufnehmen. Auch für den Anteil am Fußball-Heft "11 Freunde" prüfe man den Verkauf. Dessen Chefredakteur Philipp Köster twitterte, niemand müsse sich Sorgen machen. "Wir arbeiten bereits an einer guten Lösung für den Verlag und das Magazin."
Die Investitionen in den Umbau des Publishing-Geschäfts entfallen auf digitale Bezahlinhalte sowie digitale Dienstleistungen und verteilen sich mit je 30 Millionen Euro auf "Stern+" und die übrigen Kernmarken sowie 20 Millionen Euro auf neue Räume. Ein Umzug in Hamburgs ist bis Ende 2024 geplant.
Die Konzernmutter Bertelsmann und ihre TV-Tochter RTL Group hatten Gruner+Jahr 2022 bei RTL Deutschland integriert. Rabe ist auch Bertelsmann-Chef. Seine Strategie ist, nationale Champions im europäischen Fernsehmarkt zu schaffen, um der großen Konkurrenz von Netflix & Co Paroli zu bieten. Zuletzt scheiterte er damit jedoch in Frankreich und den Niederlanden. Zudem platzte die 2,2 Milliarden Dollar schwere Übernahme des US-Verlags Simon&Schuster durch die Bertelsmann-Tochter Penguin Random House, was den Konzern 200 Millionen Dollar kostete. Damit musste Rabe mehrere Dämpfer einstecken. "Er hat keinen Lauf", hieß es dazu kritisch aus der Belegschaft.
(redigiert von Olaf Brenner; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)