EZB fährt im Kampf gegen die hohe Inflation auf Sicht

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Frankfurt (Reuters) - Die EZB will laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde auf ihrem weiteren Straffungskurs im Kampf gegen die Inflation auf Sicht fahren und sich nicht vorab festlegen.

Die Teuerung sei nach wie vor hoch, und die Unsicherheit bezüglich ihrer weiteren Entwicklung habe noch zugenommen, sagte Lagarde am Mittwoch in Frankfurt. "Folglich ist für die Zukunft eine solide Strategie unabdingbar." Bei erhöhter Unsicherheit sei es noch wichtiger, dass sich der Zinspfad nach der Datenlage richte. "Dies bedeutet zuallererst, dass wir nicht darauf festgelegt sind, die Zinsen weiter anzuheben, und dass wir auch nicht am Ende der Zinserhöhungen angelangt sind," führte sie aus.

Wenn sich das Basisszenario der jüngsten EZB-Wirtschaftsprognosen bestätigen sollte, bleibe noch einiges zu tun, um sicherzugehen, dass die Notenbank den Inflationsdruck beseitigt habe, sagte Lagarde auf der Konferenz "The ECB and its Watchers". Dank rückläufiger Energiepreise und abnehmender Lieferengpässe werde die Inflationsrate im Euroraum zwar 2023 voraussichtlich deutlich sinken. Die zugrundeliegende Teuerung, in der unter anderem die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet sind, entwickele sich aber nach wie vor dynamisch. "Unser oberstes Ziel in einem solchen Umfeld ist klar: Wir müssen die Inflation zeitnah zu unserem mittelfristigen Ziel zurückführen," sagte sie. "Und das werden wir auch."

Die EZB ist aktuell in einer schwierigen Position. Einerseits muss sie aufpassen, dass aus den jüngsten Bankenturbulenzen keine ausgemachte Finanzkrise wird. Gleichzeitig muss sie aber eine anhaltend hohe Inflation bekämpfen. Am vergangenen Donnerstag hat sie die Zinsen erneut um 0,50 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, stieg damit von 2,50 auf 3,00 Prozent. Die Teuerungsrate im Euroraum lag zuletzt im Februar bei 8,5 Prozent. Das ist mehr als vier Mal so hoch wie das mittelfristige Ziel der EZB von zwei Prozent, das sie als optimal für die Wirtschaft erachtet. Die Kerninflation war sogar im Februar auf 5,6 Prozent von 5,3 Prozent im Januar gestiegen.

LANE - FINANZKRISE INZWISCHEN UNWAHRSCHEINLICH

Lagarde machte mit Blick auf die Bankenturbulenzen klar, dass es aus ihrer Sicht keinen Zielkonflikt zwischen Finanz- und Preisstabilität gibt. "Wir verfügen über eine Reihe von Instrumenten, mit denen wir das Finanzsystem wenn nötig mit Liquiditätshilfen unterstützen und die reibungslose Transmission der Geldpolitik aufrechterhalten können", erläuterte sie. Die europäische Bankenbranche sei widerstandsfähig.

Laut EZB-Chefvolkswirt Lane ist es inzwischen eher unwahrscheinlich, dass sich die jüngsten Bankenturbulenzen noch zu einer großen Krise hochschaukeln. "Wir spielen immer Szenarien durch, was passiert, wenn wir beschleunigende Effekte bekommen, oder Sachen, die sich gegenseitig verstärken", sagte er auf der Konferenz. Das sei aber vom gegenwärtigen Standpunkt aus betrachtet unwahrscheinlich. Ähnlich äußerte sich auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel in einem Interview der "Financial Times". "Wir stehen nicht vor einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008", sagte er der Zeitung.

Die EZB hat seit der Zinswende im Juli 2022 die Schlüsselsätze bereits sechs Mal angehoben. Lagarde zufolge beginnen die Straffungsschritte nun allmählich zu wirken. Damit der Inflationsdruck abnehme, sei es wichtig, dass die Geldpolitik robust in eine restriktive Richtung wirke, sagte sie. "Und dieser Prozess beginnt nun langsam seine Wirkung zu entfalten." Die Kreditkosten zögen merklich an, die Kreditdynamik scheine sich schneller abzuschwächen als in früheren Zinserhöhungszyklen. Die Wohnungsbauinvestitionen seien gesunken auch die Unternehmensinvestitionen hätten sich abgeschwächt. Die Währungshüter wollen in den kommenden Wochen und Monaten sorgfältig beobachten, ob sich die Übertragung der Geldpolitik auf die Wirtschaft weiter verstärkt.

(Bericht von Frank Siebelt, Balazs Koranyi; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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