Scholz und Sewing pochen auf schnelle Reform des EU-Finanzsektors

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Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz fordert eine schnelle Reform des EU-Finanz- und Bankenmarktes. "Wir wollen mehr gemeinsame Steuerstandards, wir wollen eine stärkere Harmonisierung der Kapitalaufsicht", sagte Scholz am Dienstag auf dem Bankentag in Berlin.

"Wir wollen eine Stärkung des Verbriefungsmarktes zur Finanzierung der Realwirtschaft." Er plädierte auch für eine Reform des Insolvenzrechts. Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sprach sich als Präsident des Bankenverbandes für Reformen aus.

Die Vollendung der EU-Kapitalmarktunion müsse Priorität haben, um mehr privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren, sagte Scholz. Er werde zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Reformvorschläge vorlegen, kündigte er an. Auch dieser hatte sich zu einer Reform des europäischen Finanzmarktes bekannt. Der EU-Finanzsektor müsse zudem von Berichts- und Meldepflichten entlastet werden. Insgesamt müsse man "schwere Versäumnisse bei Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung aufholen".

Die EU-Bankenunion müsse vollendet werden, sagte der Kanzler. "Wir brauchen einen gemeinsamen Markt für Bankdienstleister." Hier gibt es in Deutschland vor allem Widerstand gegen eine gemeinsame Einlagensicherung für Spareinlagen, die etwa von den Sparkassen abgelehnt wird. Das Thema wird aber mittlerweile von den EU-Regierungen als unabhängig von Reformen auf dem Kapitalmarkt angesehen.

"Vielleicht gibt es 27-mal das beste Insolvenzrecht der Welt. Aber vielleicht wäre besser, wenn es einmal das zweitbeste wäre, aber einheitlich für alle 27", sagte Scholz. Sowohl die Reform des Insolvenzrechts als auch der Verbriefung sind in seiner Ampel-Koalition umstritten.

Auch der Deutsche-Bank-Chef bezeichnete die Ausweitung von Verbriefungen in Europa als "unverzichtbar", damit insbesondere die kleinen Unternehmen von den finanziellen Ressourcen des Kapitalmarktes und von der Variabilität der Bankbilanzen profitieren könnten. "Sie entlasten uns, so dass wir als Institute mehr Kredite auch gerade in den deutschen Mittelstand vergeben wollen und das wollen wir", sagte Sewing.

Sewing sagte, dass die Politik verstehen müsse, wie Investoren denken würden. Investoren schauten vor allem darauf, wie liquide, tief und handlungsfähig ein Kapitalmarkt sei. Denn dann könnten sie auch schneller wieder Geld aus einem Markt ziehen. Deshalb wirke sich die Zersplitterung in 27 Teilmärkten in der EU so negativ aus im Vergleich zu den USA. Er warnte wie der Kanzler, dass die Klima-Transformation nicht ohne den Kapitalmarkt gelingen werde.

Der Deutsche-Bank-Chef forderte von der Ampel-Regierung Reformenanstrengungen wie eine Senkung der Unternehmenssteuern und eine andere Arbeitsmarktpolitik. Die Rente mit 63 sei ebenso aus der Zeit gefallen wie Forderungen nach einer Viertagewoche mit vollem Lohnausgleich. In Deutschland arbeiteten die Beschäftigten nach Abzug von Krankheitstagen durchschnittlich 26,2 Stunden pro Woche, in Singapur seien dies über 40 Stunden. "Wie sollen wir Investoren aus Singapur erklären, dass sie hier investieren sollen?", fragte er.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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