Krah verlässt nach neuen Vorwürfen AfD-Bundesvorstand

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Berlin/Paris (Reuters) - Kurz vor der Europawahl hat der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah nach neuen Vorwürfen sein Amt im Bundesvorstand aufgegeben und wird nicht mehr im Wahlkampf auftreten.

Das teilte die AfD-Führung am Mittwoch nach einer Telefonschalte mit Krah mit. Auslöser sind Äußerungen von Krah in der italienischen Zeitung "La Repubblica", dass Mitglieder der SS-Truppe in der NS-Zeit "nicht alle Verbrecher" gewesen seien. Die rechtspopulistische französische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen hatte deshalb am Dienstag die Zusammenarbeit mit der AfD beendet.

Die AfD-Spitze sprach in einer Stellungnahme nach Beratungen im Bundesvorstand und mit den Landesverbänden von einem "konstruktiven" Austausch mit Krah, übte aber Kritik. "Im Ergebnis wurde ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf festgestellt, für den der Spitzenkandidat den Vorwand geliefert hat", heißt es darin. Krah habe mitgeteilt, die politische Verantwortung zu übernehmen, sein Mandat im Bundesvorstand sofort niederzulegen und im Wahlkampf nicht mehr aufzutreten. "Dieser konsequente Rückzug aus der Öffentlichkeit wurde mehrheitlich begrüßt", heißt es. Die AfD-Spitze hat Krah damit nicht des Amtes als Spitzenkandidat für die Europawahl enthoben. Die rechtspopulistische Partei war in bundesweiten Umfragen zuletzt deutlich zurückgefallen, liegt aber immer noch an zweiter oder dritter Stelle. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte kürzlich bestätigt, dass der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall beobachten darf und eine Berufung der Partei dagegen abgewiesen. Zur Begründung hieß es, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass die AfD Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip verfolge.

Die hessischen AfD-Landesvorsitzenden Robert Lambrou und Andreas Lichert forderten laut einem Bericht der "Welt" weitergehende Maßnahmen gegen Krah und Petr Bystron, einen weiteren AfD-Kandidaten bei der Europawahl. In einem Antrag, der am Mittwochmorgen an den Bundesvorstand geschickt worden war, heißt es nach Informationen der Zeitung, dass beiden die Mitgliedsrechte entzogen werden sollten. Gegen Bystron hatte die Generalstaatsanwaltschaft München vorige Woche ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche eingeleitet. Im Raum steht der Verdacht, dass Bystron enge Verbindungen nach Russland hat.

Das Büro von Krah hatte zuvor eine Erklärung des AfD-Politikers verbreitet. "Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden", heißt es dort. Die AfD müsse ihre Einigkeit bewahren. "Aus diesem Grunde verzichte ich ab sofort auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück."

AFD IST LE-PEN-PARTEI ZU RADIKAL

"Die AfD ging von Provokation zu Provokation", sagte Le Pen am Mittwoch dem französischen Radiosender Europe 1. Mit Blick auf zwei Aussprachen mit AfD-Chefin Alice Weidel sagte sie, dass man der AfD Zeit gegeben habe, sich von umstrittenen Äußerungen zu distanzieren. "Jetzt ist es nicht mehr an der Zeit, sich zu distanzieren, sondern es ist an der Zeit, einen klaren Bruch mit dieser Bewegung zu vollziehen, die nicht geführt wird und eindeutig unter dem Einfluss radikaler Gruppen innerhalb der Bewegung steht", fügte Le Pen hinzu.

Zuvor hatte Le Pen Kritik an möglichen Abschiebeplänen von Migranten aus Deutschland geübt. Umstritten sind auch die Kontakte etwa von Krah und anderen AfD-Politikern nach Russland und China.

Auch Rassemblement National (RN) waren enge Kontakte nach Moskau nachgesagt worden. Le Pen bemüht sich aber um ein moderateres Image ihrer Partei, die in Umfragen für die Europawahl derzeit klar stärkste Kraft in Frankreich ist. Derzeit sind die Rechtsaußen-Parteien im Europäischen Parlament in zwei Fraktionen gespalten. Der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) gehören etwa die Partei Fratelli d'Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die spanische Vox und die Schwedendemokraten an. RN, AfD und die österreichische FPÖ sind dagegen Mitglieder in der ID-Fraktion (Identität und Demokratie), die als radikaler gilt. Le Pen ließ offen, ob sich die Fraktionen nach der Europawahl neu sortieren könnten. Die Europawahl findet vom 6. bis zum 9. Juni statt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nannte die AfD nach den jüngsten Äußerungen von Krah eine Gefahr für die Demokratie. "Sie wäre ein schlechter Repräsentant für uns in Europa", sagte der CDU-Politiker den TV-Sendern RTL/ntv. Er werbe sehr dafür, der AfD bei der Europawahl zu zeigen, dass sie möglichst in kein Parlament in Deutschland und der EU gehöre.

(Bericht von Andreas Rinke, Gabriele Sajonz, Tassilo Hummel; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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