Bau und Export verhindern Anfang 2024 Rezession - Hoffnungsträger Konsum

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Berlin/Stresa (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft ist Anfang des Jahres dank steigender Exporte und Bauausgaben an einer Rezession vorbeigeschrammt und dürfte sich allmählich erholen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Januar bis März um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte und damit eine erste Schätzung von Ende April bestätigte. Das ist das stärkste Wachstum seit einem Jahr. Für das laufende Frühjahr erwarten Experten eine weitere Belebung. "Die deutsche Wirtschaft wächst wieder, sie wird in diesem Jahr voraussichtlich in jedem Quartal wachsen - und dies durch die zunehmende Breite des Konjunkturaufschwungs ab Jahresmitte mit steigendem Tempo", sagte Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib von der staatlichen Förderbank KfW. Die Metall- und Elektro-Industrie schüttelt die Krise aber noch nicht ab und erwartet auch 2024 Einbußen.

"Nachdem das BIP zum Jahresende 2023 zurückgegangen war, startete die deutsche Wirtschaft mit einem positiven Vorzeichen ins Jahr 2024", sagte Präsidentin Ruth Brand vom Statistikamt. Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft um 0,5 Prozent geschrumpft. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer technischen - also vorübergehenden - Rezession.

"Das erste Quartal ist besser ausgefallen, als wir es noch vor Monaten erwarteten - natürlich auf sehr niedrigem Niveau", sagte Bundesbank-Chef Joachim Nagel. "Die Diskussion, die wir vor ein paar Monaten hatten, dass Deutschland der kranke Mann Europas sei - das trifft einfach so nicht zu." Er sehe für die zweite Jahreshälfte positive Anzeichen, dass dann auch der private Konsum stärker anziehe und möglicherweise auch die Exporte, erläuterte Nagel beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industriestaaten (G7) im italienischen Stresa.

Während die Exporte im ersten Quartal um 1,1 Prozent stiegen und die Bauinvestitionen um 2,7 Prozent zulegten, dämpfte der private Konsum trotz abebbender Inflation. Die Ausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher sanken um 0,4 Prozent.

"Der private Konsum in Deutschland bremst noch eine durchgreifende Konjunkturwende aus, während zunehmend Impulse aus dem Ausland kommen", sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Obwohl sich die Entwicklung der Reallöhne stabilisiert hat und für das laufende Jahr spürbare Zuwächse bei der Kaufkraft absehbar sind, halten die Deutschen ihre Portemonnaies verschlossen." Die Sparquote lag zwischen Januar und März bei 14,9 Prozent und so über dem Vorjahreswert von 13,4 Prozent. "Höher war die Sparquote zuletzt im zweiten Quartal 2021 gewesen", erklärte das Statistikamt.

MEHR PRIVATKONSUM ERWARTET - RÜCKSCHLAG AM BAU?

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft im Jahresverlauf 2024 allmählich erholt. "Wesentliche Wachstumsimpulse dürften dabei vom privaten Konsum ausgehen", erklärten die Fachleute des Finanzministeriums in ihrem Monatsbericht. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt - also die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen - um 0,3 Prozent steigen und 2025 um weitere 1,0 Prozent zulegen.

In den kommenden Quartalen rechnet IMK-Experte Dullien mit langsam anziehender Konsumnachfrage und Exportzuwächsen. Viel mehr als stagnieren dürfte die gesamte Wirtschaft 2024 aber nicht. "Ob sich der Mini-Boom der Bauinvestitionen aus dem ersten Quartal weiter fortsetzt, ist dagegen fraglich." Da insbesondere im Wohnungsbau die Nachfrage schwach sei, drohe im Frühjahrsquartal ein Rückschlag, warnte Dullien.

Teure Materialien und teure Finanzierung wegen hoher Zinsen schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab. Für Bauträger und Projektentwickler lohnt sich Bauen derzeit kaum noch. Im März habe es beim Wohnungsbau einen Auftragsrückgang von real 2,3 Prozent zum Vorjahr gegeben und im gesamten ersten Quartal ein Minus von 6,1 Prozent, erklärte der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). "Es ist leider immer noch kein Lichtblick im Wohnungsbau in Sicht", sagte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. "Angesichts der nach wie vor rückläufigen Baugenehmigungszahlen ist dies kein Wunder."

Auch die Metall- und Elektro-Industrie kommt nicht voran und rechnet für dieses Jahr mit einem Produktionsrückgang von mehr als drei Prozent. "Die Rezession hat sich in der M+E-Industrie im ersten Quartal ungebremst fortgesetzt", sagte Chefvolkswirt Lars Kroemer vom Branchenverband Gesamtmetall.

(Bericht von Klaus Lauer; Mitarbeit: Christian Krämer und Reinhard Becker - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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