Internationale Empörung und Kritik nach Israels Angriff auf Rafah

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- von Nidal al-Mughrabi und Dan Williams

Kairo/Jerusalem (Reuters) - Ein israelischer Luftangriff auf die Gaza-Grenzstadt Rafah, bei dem palästinensischen Angaben zufolge mindestens 45 Menschen in einem Zeltlager für Kriegsflüchtlinge getötet wurden, ist international auf massive Kritik gestoßen.

Deutschland, Frankreich und die EU forderten Israel am Montag auf, das Urteil, des höchsten UN-Gerichts von Freitag umzusetzen und seine Offensive in Rafah zu stoppen. Diese Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) müssten "natürlich befolgt werden", sagte Außenministerin Annalena Baerbock vor Beratungen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel. Das humanitäre Völkerrecht gelte für alle, auch für die israelische Kriegsführung. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, er sei empört. "Diese Einsätze müssen aufhören. Es gibt keine sicheren Gebiete in Rafah für palästinensische Zivilisten", erklärte Macron auf der Online-Plattform X. Ein Sprecher der israelischen Regierung sagte, erste Ergebnisse einer Untersuchung deuteten darauf hin, dass bei dem Luftangriff auf Hamas-Kommandeure am Sonntag ein Feuer ausgelöst worden sei, bei dem palästinensische Zivilisten ums Leben gekommen seien.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordert einen Stopp der israelischen Angriffe auf Rafah. "Abgesehen von dem Hunger und der Verweigerung von Hilfslieferungen in ausreichender Menge ist das, was wir gestern Abend gesehen haben, barbarisch", sagte Irlands Außenminister Micheal Martin. Ägypten verurteilte die "absichtliche Bombardierung der Zelte von Vertriebenen" durch das israelische Militär, wie staatliche Medien berichteten, und bezeichnete dies als eklatante Verletzung des Völkerrechts. Auch Saudi-Arabien verurteilte den israelischen Angriff. Katar erklärte, damit würden die Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der militant-islamistischen Palästinenser-Gruppe Hamas erschwert. Die israelische Armee hatte Anfang des Monats eine lange angedrohte Bodenoffensive auf Rafah an der ägyptischen Grenze gestartet. Die Stadt gilt als letzte Bastion der Hamas, die mit ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober den Gaza-Krieg ausgelöst hatte.

Das israelische Militär erklärte, dass bei dem Luftangriff am Sonntag auf Grundlage "präziser Geheimdienstinformationen" zwei führende Hamas-Funktionäre getötet worden seien. Vor dem Angriff wurden nach Angaben der Regierung acht Raketen abgefangen, die aus dem Gebiet Rafah auf Israel abgefeuert worden seien. Dies zeige die Notwendigkeit weiterer Einsätze gegen die Hamas. Die Chefanklägerin des israelischen Militärs bezeichnete den Luftangriff jedoch als "sehr schwerwiegend" und erklärte, dass eine Untersuchung im Gange sei. Die israelische Armee bedauere jegliche Verletzung von Zivilisten während des Krieges, sagte Jifat Tomer Jeruschalmi.

UNRWA - GAZA IST DIE HÖLLE AUF ERDEN

Der Luftangriff ereignete sich im Viertel Tel Al-Sultan, wo Tausende Palästinenser Zuflucht vor den Kämpfen gesucht haben, nachdem die israelischen Streitkräfte vor über zwei Wochen eine Bodenoffensive im Osten von Rafah begonnen hatten. "Die ganze Welt ist Zeuge, wie Rafah von Israel niedergebrannt wird, und niemand tut etwas dagegen", sagte Bassam, ein Einwohner von Rafah, über eine Chat-App zu dem Angriff in einem Gebiet im Westen von Rafah, das als sichere Zone ausgewiesen war. Die israelische Armee lüge, sagte ein anderer Palästinenser. "Es gibt keine Sicherheit in Gaza." Unter den Toten seien mindestens 23 Frauen, Kinder und ältere Menschen, teilte die von der Hamas geführte Gesundheitsbehörde mit. Die Totenzahl werde wohl noch steigen, da einige Verletzte mit schweren Verbrennungen in kritischen Zustand seien.

Die Krankenhäuser in Rafah, auch das Feldlazarett des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, konnten Medizinern zufolge nicht alle Verletzten versorgen, so dass einige zur Behandlung in Krankenhäuser nach Chan Junis weiter nördlich im Gazastreifen verlegt wurden. Das Palästinenser-Hilfswerk der Vereinten Nationen bezeichnete die Situation als entsetzlich. "Gaza ist die Hölle auf Erden. Die Bilder der vergangenen Nacht sind ein weiterer Beweis dafür", schrieb das UNRWA auf X. Bei Tageslicht war das Lager nur noch ein rauchendes Trümmerfeld aus zerfetzten Zelten, verbogenem Metall und verkohlten Habseligkeiten.

Trotz der weltweiten Empörung wegen der Opfer unter der Zivilbevölkerung beschossen israelische Panzer am Montag weiter östliche und zentrale Gebiete der Stadt, wobei nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden acht Menschen getötet wurden. Israel argumentiert, dass das IGH-Urteil einen gewissen Spielraum für militärische Einsätze in Rafah einräume. Die Gaza-Gesundheitsbehörde teilt mit, dass seit Kriegsbeginn inzwischen mindestens 36.050 Palästinenser in dem Küstengebiet getötet worden seien. Mindestens 81.026 Palästinenser seien verletzt worden.

(Bericht von Dan Williams, Nidal al-Mughrabi, Jana Choukeir und Clauda Tanios, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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