Russland stellt Ukraine bei Istanbul-Treffen harte Bedingungen

- von Vladimir Soldatkin und Tom Balmforth und Huseyin Hayatsever
Istanbul (Reuters) - Russland hat bei der zweiten Verhandlungsrunde mit der Ukraine in Istanbul staatlichen Angaben zufolge einen Forderungskatalog für ein Kriegsende vorgelegt, der in Kiew kaum auf Akzeptanz stoßen dürfte.
So erklärten die Unterhändler am Montag unter anderem, dass Moskau einem Ende des Krieges nur zustimmen werde, wenn die Ukraine zusätzliche Gebiete abtrete und Begrenzungen hinsichtlich der Größe ihrer Armee akzeptiere. Das berichteten staatliche russische Medien unter Berufung auf ein Memorandum. Die bei den Verhandlungen in Istanbul offiziell vorgelegten Bedingungen unterstreichen Russlands Weigerung, bei seinen Kriegszielen Kompromisse einzugehen. Die Ukraine hat die russischen Bedingungen wiederholt als gleichbedeutend mit einer Kapitulation zurückgewiesen.
Vertreter beider Kriegsparteien hatten sich zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen in Istanbul getroffen. Die Gespräche in der türkischen Bosporus-Metropole endeten nach kaum einer Stunde. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers und Delegationsleiters Rustem Umerow vereinbarten beide Seiten einen weiteren Austausch von Kriegsgefangenen mit Fokus auf Schwerverletzte und junge Menschen. Einen Durchbruch mit Blick auf eine Feuerpause gelang nicht. Die entscheidenden Fragen für eine Friedenslösung könnten nur auf Ebene der Staatschefs geklärt werden, sagte Umerow und schlug bis Ende Juni ein Treffen der Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin vor.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äußerte die Hoffnung, dass es schon bald zu einer direkten Begegnung Putins und Selenskyjs in der Türkei kommen werde. Daran könne auch US-Präsident Donald Trump teilnehmen, sagte Erdogan. Trump hatte wiederholt gefordert, das "Blutbad" in der Ukraine zu beenden.
RUSSLAND: UKRAINE SOLL SICH ZUR NEUTRALITÄT VERPFLICHTEN
Die russischen Vertreter übergaben der Ukraine bei dem Gespräch in Istanbul ein detailliertes Memorandum mit Bedingungen für einen vollständigen Waffenstillstand, wie Delegationsleiter Wladimir Medinski mitteilte. Am Abend veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur Interfax das Memorandum mit den Bedingungen für eine Beilegung des Krieges, der im Februar 2022 mit der russischen Invasion des Nachbarlandes begonnen hatte.
Demnach fordert Russland unter anderem eine internationale Anerkennung der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim sowie vier weiterer ukrainischer Regionen, die die Moskauer Regierung für sich beansprucht. Die Ukraine wird aufgefordert, ihre Truppen aus all diesen Gebieten abzuziehen. Außerdem soll sie sich zur Neutralität verpflichten, was eine Nato-Mitgliedschaft ausschließt, sowie zum Schutz der Rechte russischsprachiger Menschen. Russisch soll auch offiziell eine Amtssprache werden. Die Verherrlichung des Nationalsozialismus soll gesetzlich verboten werden. Die Ukraine hat den Nazi-Vorwurf wiederholt als absurd zurückgewiesen und bestreitet, russischsprachige Menschen zu diskriminieren.
ZWEI OPTIONEN FÜR WAFFENRUHE
Russland formulierte auch seine Bedingungen für eine mögliche Waffenruhe auf dem Weg zu einer Friedensregelung. Es präsentierte zwei Optionen, die für die Ukraine allerdings beide nicht akzeptabel erscheinen. Option eins sieht dem Memorandum zufolge vor, dass die Ukraine mit einem vollständigen militärischen Rückzug aus den Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson beginnt. Von diesen kontrolliert Russland die erste vollständig, hält aber nur etwa 70 Prozent der übrigen. Bei Option zwei würde es sich um ein Paket handeln, das von der Ukraine verlangen würde, militärische Umgruppierungen einzustellen und einen Stopp ausländischer Militärhilfe, Satellitenkommunikation und Geheimdienstinformationen zu akzeptieren. Kiew müsste zudem das Kriegsrecht aufheben und innerhalb von 100 Tagen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abhalten.
Der russische Delegationsleiter Medinski sagte, Moskau habe zudem einen "konkreten Waffenstillstand von zwei bis drei Tagen in bestimmten Frontabschnitten" vorgeschlagen, damit die Leichen gefallener Soldaten geborgen werden könnten.
Gemäß einem von der Ukraine erstellten Fahrplan, von dem Reuters eine Kopie einsehen konnte, lehnt Kiew nach einem Friedensabkommen Beschränkungen seiner militärischen Stärke ab. Das gilt auch für eine internationale Anerkennung russischer Souveränität über von russischen Truppen eingenommene Teile der Ukraine.
(Geschrieben von Christian Rüttger und Alexander Ratz; Redigiert von Elke Ahlswede; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)