Chinesische Aktien auf Talfahrt: Drei Gründe sorgen für anhaltenden Druck – so ist die Lage

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

An den chinesischen Märkten wirken sich derzeit eine Kombination aus mehreren negativen Faktoren auf die Kurse aus und sorgen für herbe Abverkäufe vor allem unter den Technologie-Werten. Der Hang Seng Technologieindex brach zuletzt um 10,5 Prozent ein, der Hauptindex blickt derzeit auf ein Minus von gut 5 Prozent. Große chinesische Tech-Werte werden von den Investoren aus den Depots gefegt, darunter BYD mit minus 7 Prozent, JD.com mit minus 5 Prozent, Baidu mit Verlusten von 8 Prozent, Weibo mit minus 11,3 Prozent und Alibaba und Tencent mit Verlusten von jeweils 7,5 Prozent.

Grund 1: Regulatorischer Druck - Tencent im Fadenkreuz

Vor allem die chinesischen Tech-Werte stehen schon länger unter Druck, da die Regierung in Peking in den letzten Monaten die Daumenschrauben deutlich angezogen hat und sich bemüht, die Konzerne regulatorisch stärker unter Kontrolle zu bekommen. Dazu gehörte auch ein Erschweren des Listings an den US-Börsen. An dem Fahrdienstvermittler Didi wurde hier ein Exempel statuiert, von dem die Aktie sich nicht erholen konnte. Im Zuge des derzeitigen Abverkaufs steht die Aktie erneut massiv unter Druck und notiert mit 44 Prozent im Minus - und mit einem Wert von nur noch 1,89 Dollar inzwischen fast auf Pennystock-Niveau.

Neuer Druck kommt durch eine Maßnahme gegen Tencent, da der Konzern wohl wegen Verstößen seiner Chat- und Bezahlplattform WeChat gegen Geldwäsche-Gesetze der Chinesischen Zentralbank eine Rekordstrafe zahlen muss. Ein Bußgeld könnte mindestens Hunderte Millionen Yuan hoch sein, müsse aber noch konkret benannt werden, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“) am Montag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Das wäre deutlich mehr als das, was die Regulierungsbehörden in der Vergangenheit bei Verstößen gegen die Geldwäsche-Gesetze verhängt hatten.

Grund 2: Corona-Entwicklungen

Die Behörden von Changchun haben am Freitag einen Lockdown für die Neun-Millionen-Metropole angeordnet, nachdem die Corona-Zahlen in den vergangenen Tagen deutlich angestiegen waren. Landesweit wurden in China am Montag 1337 lokale Infektionen und 788 asymptomatische Fälle entdeckt, die in China einzeln aufgeführt werden. Am Tag zuvor hatte es einen Rekord von insgesamt mehr als 3100 Fällen gegeben. Die Ansteckungen hatten jüngst zugenommen, nachdem vor drei Wochen erst einige Dutzend am Tag gemeldet worden waren. China verfolgt eine strenge Null-Covid-Strategie und reagiert mit Ausgangssperren, Massentests, Transportbeschränkungen und Quarantäne auf lokale Ausbrüche. Auch hat sich das Land weitgehend abgeschottet.

An der Börse wird nun entsprechend neuer Druck auf die Wirtschaft und die produzierenden Unternehmen eingepreist. Auch auf ausländische Firmen hat das Einfluss - VW kann derzeit aufgrund des Lockdowns in Changchun keine Fahrzeuge produzieren. Die Folgen könnten die Wirtschaft gar weltweit treffen. Eine Reihe multinationaler Unternehmen habe Produktionsstopps in den Werken in der Region in Aussicht gestellt, so Analyst Jeffrey Halley vom Broker Oanda. „Foxconn, ein wichtiger Apple-Zulieferer, hat bereits die Schließung von Fabriken in Shenzhen angekündigt, und wenn der Hafen ebenfalls geschlossen werden muss, kann es zu weiteren Unterbrechungen der Lieferkette kommen“, betonte der Analyst.

Grund 3: Der Ukraine-Krieg

Laut mehreren Medienberichten, die sich auf Informationen von Vertretern der US-Regierung berufen, hat Russland China offenbar um militärische Hilfe im Kampf gegen die Ukraine gebeten. China hat diese Berichte zurückgewiesen und die USA der Verbreitung von Falschnachrichten bezichtigt. „In letzter Zeit haben die USA ständig Desinformationen gegen China verbreitet. Das ist bösartig“, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums am Montag. China habe immer eine konstruktive Rolle bei der Förderung von Friedensgesprächen gespielt. Oberste Priorität habe nun, dass alle Parteien Zurückhaltung üben, um die Situation zu deeskalieren, so der Sprecher weiter.

Noch bleibt unklar, ob die russische Anfrage den Tatsachen entspricht und wie oder ob China auf die Anfragen reagierte, wie am Sonntag unter anderem die „Washington Post“, die „New York Times“ und die „Financial Times“ berichteten. Russland habe auch um wirtschaftliche Unterstützung gebeten, um die Auswirkungen der Sanktionen zu begrenzen, hieß es.

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, wollte sich am Montag in Rom mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker, Yang Jiechi, treffen. Dabei sollte es nach US-Angaben auch um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine gehen.

Auf der am Freitag zu Ende gegangenen Tagung des Volkskongresses hatte Chinas Regierungschef Li Keqiang bereits zu „äußerster Zurückhaltung“ in Russlands Krieg in der Ukraine aufgerufen, um eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern. Er vermied es aber weiterhin, Russland für die Invasion zu kritisieren. Auch sprach sich der Premier gegen die internationalen Sanktionen gegen Russland aus, weil sie seiner Meinung nach der wirtschaftlichen Erholung der Welt schadeten.

Sollte sich China entsprechend für Russland positionieren, würde das die Beziehungen mit dem Westen empfindlich verschlechtern und auch große wirtschaftliche Auswirkungen haben, da mit weiteren Sanktionen und einer Abkehr vieler Firmen aus dem chinesischen Wirtschaftsraum zu rechnen wäre.

Lage bleibt volatil

Die Fülle an Gründen spricht gegen eine schnelle Erholung der chinesischen Aktienmärkte, da noch keine Klarheit im Krieg herrscht und auch die ins Rollen gebrachten Regulierungen das chinesische Marktumfeld über die nächsten Monate beeinflussen werden. Auch die Corona-Pandemie bleibt ein Unsicherheitsfaktor. In dieser Lage Investments in chinesische Werte zu tätigen, bleibt ein hochriskantes Spiel. Investierte Anleger brauchen einen langen Atem, um die Unsicherheiten auszusitzen.

onvista-Redaktion mit dpa-AFX

Titelfoto: My Life Graphic / Shutterstock.com

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