Creditreform erwartet mehr Insolvenzen zum Jahresende

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Düsseldorf (Reuters) - Deutschland steuert nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform auf stark steigende Firmenpleiten zu. "Ab dem vierten Quartal wird es zu einem deutlichen Anstieg der Anträge kommen", sagte Creditreform-Hauptgeschäftsführer Volker Ulbricht am Mittwochabend in Düsseldorf. Er sehe diese Entwicklung aber sogar positiv, da zahlungsunfähige Firmen die wirtschaftliche Gesundheit ihrer Geschäftspartner gefährdeten. "Es ist nicht wünschenswert, dass wir in eine künstlich am Leben gehaltene Zombie-Wirtschaft rutschen." Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) widersprach dieser Einschätzung. Diese Ansicht wirke "wie eine blutleere Lehrbuchspekulation", sagte er auf einer Bankenkonferenz in Frankfurt. Die Regierung wisse genau, was sie tue mit ihren staatlichen Hilfen.

Unternehmen aus den drei Branchen Kultur, Sport und Erholung stünden unter besonders starkem Druck, sagte Ulbricht. Hier zeige sich aktuell eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens. "Im kleinen Bereich ist die Welle am stärksten aufgestaut." Ab Oktober müssten voraussichtlich vor allem kleinere Unternehmen Insolvenz beantragen. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Insolvenzantragspflicht zunächst bis Ende September auszusetzen, habe zu einem Rückgang der Insolvenzen geführt. Allein im Juli sanken sie um 30 Prozent. Für überschuldete Unternehmen, die nicht zahlungsunfähig sind, bleibt die Sonderregel nach einem Beschluss der Bundesregierung vom Mittwoch bis zum Jahresende bestehen. Für zahlungsunfähige Unternehmen greift die Verlängerung aber nicht.

Scholz machte deutlich, dass dies nur eine zeitlich befristete Maßnahme zur Bekämpfung der Krise sei. Ebenso die Ausweitung der Kurzarbeitsregel. "Sie ist bis Ende des nächsten Jahres garantiert, aber es bleibt keine Maßnahme, die als Handlungsmöglichkeit auf Dauer existiert, sondern sie ist ganz zielgerichtet auf diese Krise zugeschnitten." Die Zahl derjenigen, die in Kurzarbeit seien, werde wieder kontinuierlich sinken. Für Firmen sei es aber wichtig, dass die Möglichkeiten dafür bis Ende 2021 ausgeweitet sei. Dies gebe ihnen mehr Flexibilität, falls die wirtschaftliche Erholung in ihrer Branche länger dauere.

Deutschland droht wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Unzählige Betriebe kämpfen ums Überleben. Reisebüros hatten etwa nach Erhebungen der Creditreform im Mittel Anfang März Zahlungsziele um 15,5 Tage verfehlt, Ende August lagen sie schon bei 29,2 Tagen. Besser gehe es dagegen dem Online-Handel, weil Unternehmen der in der Krise boomenden Branche nun schneller zahlten, sagte Ulbricht.

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