Forderungen nach kürzerer Quarantäne aus Sorge vor Personalmangel
- von Andreas Rinke und Rene Wagner
Berlin (Reuters) - Die Sorge vor einer großen Omikron-Infektionswelle und dem massenhaften Ausfall von Personal schiebt die Debatte über eine kürzere Quarantäne an.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der DIHK sagten am Montag der Nachrichtenagentur Reuters, hohe Infektionen könnten Wirtschaft und Gesellschaft lahmlegen. Frankreich oder Spanien etwa haben bereits eine Verkürzung der Quarantäne für Infizierte beschlossen, die eine Booster-Impfung erhalten hatten. Hintergrund sind die durch die Verbreitung der Omikron-Variante sehr hohen Infektionszahlen von teilweise mehr als 200.000 pro Tag. Das Robert-Koch-Institut meldete unterdessen für Deutschland erneut deutlich steigende Zahlen an Neuinfektionen, die vor allem im Norden Deutschlands zunehmen.
"Es könnte sehr schnell zu einem Personalengpass in allen Bereichen der kritischen Infrastruktur, aber auch der Wirtschaft insgesamt führen", sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Krankenhausgesellschaft. "Wenn die zu erwartende Omikron-Welle auch nach Deutschland überschwappt, wird das durch einen flächendeckenden Ausfall vieler Beschäftigten schnell zu einer Herausforderung für die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite", warnte auch DIHK-Präsident Peter Adrian.
Von den Grünen, der FDP und der CDU kam Unterstützung für die Ankündigung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die Isolationszeiten für vollständig Geimpfte verkürzt werden sollen. "Symptomfreie und geboosterte Bürgerinnen und Bürger sollten sich nach einer signifikanten Verkürzung der Quarantänezeit freitesten können", sagte Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, zu Reuters. "Eine solche Möglichkeit sollte dann für alle gelten." Ihre Kollegen von den Grünen und der CDU, Janosch Dahmen und Tino Sorge, wollen dagegen keine Quarantäne-Verkürzung für den medizinischen Sektor.
Lauterbach hatte am Sonntag angekündigt, dass eine Quarantäne-Verkürzung auch in Deutschland vorbereitet wird. Beschlüsse dürften am Freitag beim Bund-Länder-Spitzentreffen fallen. Am Dienstag wird der Expertenrat der Bundesregierung sich damit beschäftigen. Auch das RKI soll noch eine Stellungnahme zu den Quarantäne-Auflagen abgeben.
Stefan Genth vom Handelsverband HDE sagte, es sei richtig und wichtig, dass die Politik die Verkürzung von Quarantänefristen diskutiere. Die IG Metall erklärte, die Industrie dürfe nicht von der erwarteten Omikron-Welle lahmgelegt werden. In Deutschland waren bereits im Dezember rund eine Million Menschen zeitgleich in Quarantäne. Die Zahl ist laut RKI wieder auf 617.100 gesunken, dürfte aber mit Omikron schnell nach oben schießen. Derzeit melden etwa die Deutsche Bahn oder die Gewerkschaft der Polizei aber noch keine Probleme.
DIHK-Präsident Adrian dringt auf schnelle Beschlüsse, weil schon nach wenigen Tagen viele Betriebe und Branchen faktisch Teil der kritischen Infrastruktur würden. Denn wenn etwa die Produktion medizinischer Materialien eingeschränkt werde, wären weitere Impffortschritte infrage gestellt. Adrian verwies auch auf die Versorgung durch Supermärkte. Wenn medizinisch verantwortbar, "wäre eine Verkürzung der Quarantänepflicht also ein wichtiger Baustein, die Wirtschaft und das Alltagsleben in Deutschland wo immer möglich am Laufen zu halten".
Zurückhaltender ist der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Zwar wäre eine Verkürzung der Quarantäne-Dauer für viele Handwerksbetriebe gut. "Es wäre aber weder den Betrieben mit ihren Beschäftigten noch den Kunden geholfen, wenn die Quarantäne-Dauer zwar verkürzt, Beschäftigte dann zwar früher, aber möglicherweise noch infektiös an den Arbeitsplatz zurückkehren", heißt es beim ZDH.
Das RKI meldete am Montag 18.518 Corona-Neuinfektionen. Das sind 4610 Fälle mehr als am Montag vor einer Woche. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 232,4 von 222,7 am Vortag. 68 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der Corona-Intensiv-Patienten in Krankenhäusern lag am Montag bei 3771. Die Zahl der Neuinfektion nimmt anders als in den vergangenen Wochen vor allem im Norden des Landes und dort in den Stadtstaaten deutlich zu. Unter den 16 Bundesländern verzeichnet Bremen mit 468,6 den höchsten Wert.