VW: Wird Wolfsburg vom „Dieselgate-Skandal“ erneut eingeholt? – Zusätzliche Bußgelder von „mehr als einer Billion Dollar“?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Volkswagen hat in einem US-Rechtsstreit um mögliche weitere hohe Bußgelder im „Dieselgate“-Skandal eine empfindliche Niederlage erlitten. Das Oberste Gericht von Ohio entschied am Dienstag, dass der Bundesstaat Sanktionen wegen systematischer Abgasmanipulation gegen den Autobauer verfolgen kann, die über die bereits auf US-Bundesebene vereinbarten Strafen hinausgehen. Für VW sind regionale Verfahren wie dieses in Ohio brisant – dem Wolfsburger Autokonzern könnten erneut milliardenschwere Bußgelder drohen.

Volkswagen teilte auf Nachfrage mit, den Fall vor den US Supreme Court bringen zu wollen, den Obersten Gerichtshof Amerikas. Der Konzern ist der Auffassung, dass Ansprüche einzelner Bundesstaaten im Abgasskandal durch Strafen und Entschädigungen abgegolten seien, die VW bereits wegen Verstößen gegen das landesweite Luftreinhaltegesetz „Clean Air Act“ hatte zahlen müssen. Zu dieser Einschätzung seien auch mehrere andere US-Gerichte in ähnlichen Fällen gekommen.

„Dies ist eine bedeutende Entscheidung, die dafür sorgen wird, dass Volkswagen für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann“, erklärte Ohios Generalstaatsanwalt Dave Yost in einem Statement. Es sei zwar noch nicht entschieden, wie der Bundesstaat in dem Fall nun weiter vorgehe, doch das Oberste Gericht von Ohio habe angeordnet, dass die Türen für ein Verfahren geöffnet werden. „Wir werden Gerechtigkeit suchen“, kündigte Generalstaatsanwalt Yost an.

Das Urteil aus Ohio birgt für VW ein hohes finanzielles Risiko, wie aus der Entscheidung des Gerichts hervorgeht. Die Richter sprachen sich mit 6 zu 1 Stimmen dafür aus, dass weitere Strafen gegen das Unternehmen ermöglicht werden sollten. Richter Michael Donnelly, der als einziger dagegen war, bezifferte die zusätzlichen Bußgelder, die VW dadurch theoretisch entstehen könnten, auf „mehr als eine Billion Dollar“. Ohio ist nur einer von mehreren Schauplätzen – der Autobauer ist in anderen US-Bundesstaaten mit ähnlichen Klagen konfrontiert.

VW hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden hin zugegeben, mit einer speziellen Software („Defeat Device“) jahrelang die Abgastechnik von Dieselautos manipuliert zu haben. Für den Skandal verbuchte der Konzern bereits Kosten von rund 32 Milliarden Euro – größtenteils für Strafen in den USA. Doch VW könnten noch weitere teure Sanktionen ins Haus stehen. Denn ein Berufungsgericht hatte im Juni 2020 entschieden, dass trotz bereits geschlossener Vergleiche zusätzliche Strafen auf regionaler Ebene zulässig seien.

Hierbei ging es um Klagen von zwei Bezirken der Bundesstaaten Florida und Utah, die jedoch auch landesweit richtungsweisend sein könnten. Die Berufungsrichter hatten erklärt, sie seien sich im Klaren darüber, dass ihre Entscheidung zu „atemberaubenden Belastungen“ für VW führen könne. Allein auf Basis der regionalen Bußgeldkataloge in den beiden Bezirken könnten sich die Strafen potenziell auf bis zu 11,2 Milliarden Dollar pro Jahr belaufen. In diesem Verfahren hatte sich VW bereits im Januar an das Oberste US-Gericht in der Hauptstadt Washington gewandt, um zusätzliche Bußgelder zu verhindern.

dpa-AFX

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onvista Redaktion:  Obwohl VW für den Diesel-Skandal schon über 30 Milliarden Euro bezahlt hat, könnten jetzt erneut hohe Strafzahlungen auf die Wolfsburger zukommen. Das höchste Gericht in den USA muss jetzt entscheiden, ob nach den Vereinigten Staaten auch die einzelnen Bundesstaaten Strafen gegen die Wolfsburger verhängen können. Das zeigt die Komplexität des amerikanischen Rechtssystems. Neben dem Verfahren vor dem US-Supreme Court kann Volkswagen auch versuchen einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen, der sicherlich deutlich unter der angesprochenen Summe von einer Billion Dollar liegen dürfte.

Nach einer ersten Schrecksekunde im vorbörslichen Handel hat sich die Aktie wieder etwas gefangen und startet mit einem Minus von 0,5 Prozent in den Handel. Die Anleger mögen Unsicherheiten zwar überhaupt nicht. Allerdings dürfte es noch eine ganze Zeit dauern, bis in diesem Fall eine Entscheidung gefallen ist. Daher dürfte das Problem wieder in den Hintergrund rücken und Anleger sollten die Aktie vorerst nicht voreilig aus dem Depot werfen.

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