Weltspartag – Auch unter Largarde gibt es Nichts zu feiern

Jessica Schwarzer · Uhr

An EZB-Präsident Draghi werden sich Sparer als denjenigen erinnern, der die Zinsen abgeschafft hat. Dass sich unter seiner Nachfolgerin Largarde an der Nullzinspolitik etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Keine guten Nachrichten zum Weltspartag!

Die Machtübergabe an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt pünktlich zum Weltspartag. Ob sich darüber irgendjemand Gedanken gemacht hat in den Türmen am Hauptsitz der EZB im Frankfurter Ostend? Ist es bloß ein Zufall? Ein unglücklicher noch dazu?

Denn wer in diesen Tagen über das Thema Sparen nachdenkt – und das passiert rund um den Weltspartag Ende Oktober wohl unweigerlich -, der dürfte ziemlich ratlos, frustriert, vielleicht sogar wütend sein. Die Deutschen sind bekanntlich ziemlich fleißige Sparer. Und so kommt es, dass sie seit dem vierten Quartal 2010 pro Kopf 1.559 Euro an Wert auf ihre Ersparnisse verloren haben. Allein im dritten Quartal dieses Jahres lag der Wertverlust bei 7,8 Milliarden Euro - 94 Euro pro Bundesbürger. Zu diesen Ergebnissen kommt der aktuelle Realzins-Radar der Comdirect, der quartalsweise ermittelt wird.

Der Realzins gibt den tatsächlichen Zins nach Abzug der Inflation wieder: Im dritten Quartal lagen die Zinsen auf Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen im Durchschnitt bei 0,15 Prozent. Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,47 Prozent zwischen Juli und September ergibt sich daraus ein Realzins von minus 1,32 Prozent. Im Schnitt, wohl gemerkt. Je niedriger die Zinsen auf die Einlagen, desto höher der negative Realzins.

Sparen wird sich bis auf Weiteres nicht mehr lohnen

Dass sich diese Bilanz in den kommenden Monaten, Quartalen oder gar Jahren verbessert, ist nicht zu erwarten. Die EZB unter ihrem scheidenden Präsidenten Mario Draghi hält auch am Ende seiner achtjährigen Amtszeit an ihrem ultralockeren Kurs fest und gibt damit die Richtung für die neue Chefin Christine Lagarde vor. Sparen wird sich also bis auf Weiteres nicht mehr lohnen. Im Gegenteil, die Deutschen werden weiter Geld verlieren.

Und es könnte alles sogar noch schlimmer kommen. Es drohen Minuszinsen. Immer mehr Finanzhäuser – mittlerweile sogar Sparkassen und Volksbanken – denken über entsprechende Gebühren nach, einige Häuser haben schon gehandelt. Dennoch bleiben Sparbuch, Tagesgeldkonto und Girokonto hierzulande die liebste Geldanlage. Auch wenn Girokonten kaum Zinseinnahmen bringen, legt jeder zweite Deutsche hier sein Geld ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Postbank anlässlich des Weltspartags.  Dahinter landet das Sparkonto auf Platz zwei der beliebtesten Sparanlagen. Jeder Dritte nutzt es.

Sogar Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) tat neulich öffentlichkeitswirksam via Bild-Zeitung kund, sein Erspartes liege auf dem Girokonto. Früher hatte er mehrfach sein Sparbuch gepriesen. Dass er von Aktien nichts hält, hat er bereits mehrfach betont. Er bevorzugt scheinbar den negativen Realzins anstatt langfristig ziemlich gute und vor allem positive Renditen. Denn die liefern Aktien ja bekanntlich.

Die Postbank fragt in ihrer aktuellen Studie: „Der dumme deutsche Sparer?“. Ob die Autoren dabei an Scholz dachten, ist nicht übermittelt. Unter dem  „Realitätsverlust“, den sie den meisten Deutschen beim Thema Geldanlage attestieren, leidet der Bundesfinanzminister wohl auf jeden Fall. Oder warum sonst arbeitet er konsequent gegen eine bessere deutsche Aktienkultur? Wie auch immer.

Realitätsverlust und Wirklichkeitsverweigerung

Die Postbank-Studie zeigt: Die Neigung, Geld auf einem Spar- oder Girokonto anzulegen, fußt auch auf einem erstaunlich verklärten Verständnis von Rendite. Jeder dritte Sparer (32 Prozent) hat keinerlei Vorstellung, wie hoch seine Rendite ist und nur jeder vierte Sparer (28 Prozent) ist sich bewusst, dass er mit seinem Geld keine Gewinne erzielt. Von negativen Realzinsen reden wir besser gar nicht erst.

Junge Menschen scheinen besonders schlecht aufgeklärt zu sein. Jeder siebte der 16- bis 29-Jährigen (15 Prozent) und jeder siebte der 30- bis 39-Jährigen (14 Prozent) rechnet mit einem Zinsertrag von mehr als zehn Prozent ­ und das, obwohl zwei von drei der 16- bis 19-Jährigen (64 Prozent; Durchschnitt: 49 Prozent) ihr Geld auf Girokonten anlegen und jeder Zweite (49 Prozent; Durchschnitt: 32 Prozent) in klassischen Sparkonten.

Die Deutschen leiden beim Thema Sparen ganz klar an Realitätsverlust und einer neuen Form der Wirklichkeitsverweigerung. Immerhin: Ihr Misstrauen gegenüber Aktien und Fonds scheint etwas abzunehmen. Laut der Umfrage legen inzwischen 30 Prozent ihr Geld an der Börse an. Im Vergleich zu 2018 sind das fast zehn Prozentpunkte mehr (21 Prozent). Das lässt zumindest hoffen.

Und vielleicht denkt ja auch der eine oder andere überzeugte Sparer am Weltspartag über Aktien, Fonds und ETFs – vielleicht zum Einstieg via Sparplan – nach. Dann würde dieser „Gedenktag“, der doch recht antiquiert daher kommt, wieder Sinn machen. Wer sich auf Christine Largarde verlässt, der ist verlassen. Zinsen wird es bis auf weiteres kaum geben, positive Realzinsen erst recht nicht.

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