Wirtschaft in Deutschland im Aufwind

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Berlin (Reuters) - Ungeachtet des jüngsten Bankenbebens startet die Wirtschaft in Deutschland und der gesamten Euro-Zone mit Schwung ins Frühjahr.

Dies ist am aktuellen Einkaufsmanager-Barometer abzulesen, das als eines der wichtigsten Frühindikatoren zur Konjunkturentwicklung gilt. Hierzulande stieg der Index im März überraschend deutlich um 1,9 auf 52,6 Punkte. Er setzte sich damit den zweiten Monat in Folge über der Wachstumsschwelle von 50 Zählern fest, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Freitag zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Rezessionssorgen wurden damit gemildert, auch wenn die jüngsten Turbulenzen um die Notübernahme der Schweizer Großbank Credit-Suisse die Börsianer weiter in Atem halten.

Die Hoffnung auf einen bevorstehenden starken Aufschwung sei aber nicht angebracht, meint Union Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner: "Die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor führen dazu, dass die Kreditkonditionen noch restriktiver beziehungsweise noch schneller restriktiv werden als ohnehin befürchtet." Nach Einschätzung von Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets ist das Risiko für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr sogar größer geworden. "Bis sich der Schaden aus dem Bankenbeben abschätzen lässt, werden noch Wochen ins Land gehen. Und es bleibt das dumpfe Gefühl der Anleger, dass die daraus entstehenden Nachrichten keine sonderlich guten sein werden."

Grund zur Skepsis gibt auch die anhaltende Schwäche der Industrie: Das entsprechende Barometer von S&P sank um 1,9 auf 44,4 Punkte - der tiefste Stand seit knapp drei Jahren. "Dem Industriesektor fehlt es derzeit an Schwung, da beim Auftragseingang angesichts der Zurückhaltung vieler Kunden und hoher Lagerbestände abermals ein Minus zu Buche schlug", sagte S&P-Ökonom Phil Smith. Konjunkturstütze sind derzeit die Dienstleister. Hier kletterte das Barometer um 3,0 auf 53,9 Punkte, den höchsten Stand seit zehn Monaten.

EUROLAND-KONJUNKTUR SCHLÄGT SICH ÜBERRASCHEND GUT

Mit der insgesamt wachsenden wirtschaftlichen Dynamik in Deutschland wird eine Rezession unwahrscheinlicher. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt für das zu Ende gehende Quartal ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 0,2 Prozent voraus, auch das IWH in Halle erwartet einen Anstieg. Im vierten Quartal 2022 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,4 Prozent geschrumpft. Bei zwei negativen Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.

Auch im Euro-Raum hellen sich die Konjunkturaussichten auf. Die Wirtschaft in den 20 Staaten der Währungsunion hat im März überraschend an Schwung gewonnen. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - legte um 2,1 Punkte auf 54,1 Zähler zu. Die Industrieproduktion stagnierte allerdings den zweiten Monat in Folge weitgehend. Zugpferd des Aufschwungs waren hingegen erneut die Dienstleister, bei denen die Geschäfte den dritten Monat in Folge florierten. "Das verbessert die Aussichten für das zweite Quartal", so Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.

Er verweist zugleich darauf, dass seit dem Frühjahr 2022 die Zentralbanken weltweit ihre Zinsen kräftig erhöht haben. Mit der üblichen Verzögerung von vier bis fünf Quartalen sollte das die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte deutlich dämpfen, warnt Krämer: "Ich erwarte im späteren Verlauf des Jahres einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Viele Konjunkturprognosen sind zu optimistisch."

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs berieten am Freitag mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde über die wirtschaftliche Entwicklung in der EU. Dabei wurde auch eine Debatte über die Auswirkungen der Credit-Suisse-Krise erwartet.

(Bericht von Rene Wagner und Reinhard Becker; Mitarbeit Daniela Pegna und Andreas Rinke; redigiert von Ralf Bode Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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