EU-Kommission mahnt Durchbruch in Asylpolitik an

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Brüssel/Berlin (Reuters) - Zwei Tage vor Verhandlungen der EU-Staaten über eine gemeinsame Asylpolitik hat die EU-Kommission einen Durchbruch in dem seit Jahren andauernden Streit angemahnt.

"Wenn wir uns auf einen gemeinsamen Ansatz einigen, die Migration in einem humanen und restriktiven Weg zu gestalten, wären wir alle Gewinner", sagte die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson am Dienstag in Brüssel. "Wenn wir zusammenarbeiten, sind wir stark", sagte die schwedische Sozialdemokratin. "Das ist kein Null-Summen-Spiel, es geht nicht um Gewinner und Verlierer."

Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass die 27 Innenminister und Innenministerinnen der EU-Staaten bei ihren Beratungen am Donnerstag in Luxemburg zumindest Fortschritte erzielen. Angesichts wieder steigender Flüchtlingszahlen wächst der Handlungsdruck auf die Politik. Bei der gemeinsamen europäischen Asylpolitik geht es um einen besseren Schutz der Außengrenzen mit direkt vor Ort eingeleiteten Asylverfahren, um eine gerechte Verteilung der zugelassenen Migranten auf die Mitgliedstaaten und ein einheitliches Vorgehen bei Abschiebungen in sichere Dritt- oder Herkunftsstaaten.

Vor allem Polen und Ungarn weigern sich, die vornehmlich aus islamischen Staaten kommenden Asylbewerber aus anderen EU-Staaten aufzunehmen. Solche EU-Länder könnten sich einem vorliegenden Kompromiss zufolge mit Kompensationszahlungen aus der Verantwortung ziehen. Johansson sagte, sie erwarte zumindest in diesem Punkt einen Kompromiss. Die Kommissarin verwies darauf, dass es zu einer Mehrheitsentscheidung kommen könne. Ein Vetorecht stehe bei dem Thema keinem Mitgliedstaat zu. "Ohne Einigung werden wir alle verlieren", sagte sie. "Mit einer Einigung werden wir alle zu Gewinnern, einschließlich der Migranten." Die Menschen könnten dann in die EU kommen, "ohne ihr Leben zu riskieren".

"SO WEIT, WIE WIR NOCH NIE WAREN"

Scholz sagte beim WDR-Europaforum mit Blick auf den Stand der Verhandlungen: "Wir sind so weit, wie wir noch nie waren." Zugleich hob der Kanzler die Bedeutung der offenen Grenzen in Europa hervor. "Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir uns bemühen, dass es ein gemeinsames Vorgehen gibt." Wegen der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen gibt es bereits wieder Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich. Zugleich werden die Kontrollen zwischen Deutschland und Polen verstärkt, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser vergangene Woche ankündigte.

Scholz betonte, es könne nicht sein, dass 80 Prozent der Asylanträge in Deutschland von Menschen gestellt würden, die in keinem anderen EU-Land registriert worden seien - obwohl Deutschland außer an den Flug- und Seehäfen keine EU-Außengrenze habe. Nach der bestehenden Dublin-Regelung müssten Migranten ihren Asylantrag eigentlich in dem EU-Staat stellen, in dem sie als erstes einreisen. Da dies aber besonders die Südländer Griechenland, Italien und Spanien überfordert, ringen die EU-Staaten nunmehr schon seit Jahren darum, wie die Menschen gerecht auf die Mitgliedstaaten verteilt werden könnten.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte mehr Solidarität an. "Ich hoffe sehr, dass es am Donnerstag einen Schritt nach vorne gibt", sagte sie auf dem WDR-Europaforum. Laut europäischer Statistikbehörde wurden in der Europäischen Union (EU) zu Jahresbeginn über 40 Prozent mehr Erstanträge auf Asyl gestellt als vor einem Jahr. In Deutschland registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten vier Monaten des Jahres 110.516 Asylerstanträge und damit gut 78 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten Antragsteller kamen aus Syrien und Afghanistan.

(Bericht von Gabriela Baczynska, Andreas Rinke und Alexander Ratz. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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