ROUNDUP: Südwest-Verlage fühlen sich von Politik im Stich gelassen

dpa-AFX · Uhr

STUTTGART/ETTLINGEN (dpa-AFX) - Die Zeitungsverlage im Südwesten erheben heftige Vorwürfe gegen die Politik. Sie fühlen sich angesichts der aktuellen Herausforderungen ihrer Branche im Stich gelassen. "Es findet keine richtige Medienpolitik statt", sagte der Vorsitzende des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV), Valdo Lehari, am Freitag bei der Jahrestagung seines Verbandes.

Der VSZV-Vorsitzende fordert eine verschärfte Wettbewerbskontrolle internationaler Digitalplattformen. Eine Entflechtung von Konzernen wie Google müsse zumindest ernsthaft geprüft werden, sagte er bei dem Treffen in Esslingen bei Karlsruhe.

Google etwa beherrsche Technologie und Inhalte. "Das wäre wirklich prüfenswert", bekräftigte Lehari. Die Digitalplattformen wie auch Amazon und der Facebook-Konzern Meta seien für klassische Medien die größten Herausforderer. "Das freie Internet hat sich selbst abgeschafft", kritisierte er. Das Netz liege jetzt in den Händen von wenigen Großen.

Die Politik und die Wettbewerbsaufsicht unternähmen hier zu wenig. "Das Bundeskartellamt hat Instrumente und könnte mehr durchgreifen", forderte der Verleger. Er ist auch Ehrenmitglied im Vorstand des Bundesverbandes BDZV.

Vor Jahren schon habe die Branche vor den Auswirkungen durch die großen Plattformen gewarnt. "Man hat das alles nicht ernst genommen. Und jetzt dominieren die Plattformen die Landschaft, und die Politik schaut zu", sagte Lehari der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf, dass die Politik auf Landes-, Bundes- und Europaebene die Medienpolitik ernst nimmt", beklagte er. Es sei eine verfassungsrechtliche Pflicht zu handeln, dass die Presse nicht unter die Räder komme, sagte Lehari bei der Tagung.

Den Zeitungsverlagen setzten auch die wirtschaftlichen Bedingungen massiv zu. "Die Branche hat sich noch immer nicht erholt von den Corona-Jahren", sagte Lehari. "Dazu kam die dramatische Kostenentwicklung bei Papier und Zustellung."

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk rief der VSZV-Vorsitzende auf, im Streit um die Presseähnlichkeit die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Öffentlich-Rechtliche online zu textlastig sind und so zu sehr Zeitungsinhalten ähneln - was per Staatsvertrag untersagt ist. Leharis Forderung: "Dass die ARD die Kraft entwickelt, eine unter den Sendern einheitliche Definition der Presseähnlichkeit zu erzielen. Dann müssten nicht juristische Verfahren als Ersatzgesetzgeber wirken."

Um die Presseähnlichkeit gibt es immer wieder heftige juristische Auseinandersetzungen. So streiten sich Südwest-Verleger und der öffentlich-rechtliche Südwestrundfunk (SWR) seit langem über eine Nachrichten-App des Senders. Eine Schlichtung scheiterte Anfang der Woche ergebnislos. Zugleich bot SWR-Intendant Kai Gniffke, der derzeit auch ARD-Vorsitzender ist, Verlagen eine Kooperation bei dem Nachrichten-Angebot "Newszone" für junge Leute an.

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hatte dazu mitgeteilt, dass ihm bislang keine konkreten Vorschläge vorlägen. Juristisch geht das Tauziehen um "Newszone" voraussichtlich weiter: "Wir haben der ARD erklärt, dass wir die durch die Publikation entstandenen Rechtsfragen nun zunächst klären werden", hieß es vom BDZV.

Der Gastgeber der Tagung und Verleger Michael Baur sagte, angesichts der Herausforderungen der Branche sei der Verlegerverband wichtiger denn je. "Es braucht unbedingt die gemeinsame Unterstützung", sagte der Verleger und Chefredakteur der "Badischen Neuesten Nachrichten" und des "Badischen Tagblatt".

Lehari wurde bei den Vorstandswahlen als Vorsitzender des VZSZ für eine weitere Amtszeit gewählt, wie VSZV-Geschäftsführer Holger Paesler sagte. Er steht seit dem Jahreswechsel 2001/2002 an der Spitze. Lehari ist Verleger und Geschäftsführer des "Reutlinger General-Anzeigers". Auch der gesamte übrige VSZV-Vorstand wurde den Angaben zufolge im Amt bestätigt./fd/DP/ngu

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